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04 - Herzenspoker

04 - Herzenspoker

Titel: 04 - Herzenspoker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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dem Kopf, die Lord Guy je gesehen hatte. Als sie von
den überstandenen Abenteuern hörte, girrte und gurrte sie vor Mitgefühl mit
Esther, und ihre verblichenen Augen wurden ganz groß vor Schrecken. Und Esther,
die vorgehabt hatte, Miß Fipps zu entlassen, stellte fest, dass sie die
mütterliche Sorge ihrer Gefährtin glücklich machte.
    Aber
kaum wußte Miß Fipps das Paar mit dem Teetablett versorgt und an einem
knisternden Feuer erwärmt, lächelte sie beide gütig an und schlich hinaus, um
sie allein zu lassen.
    »Eine
feine Anstandsdame habe ich mir da ausgesucht«, meinte Esther bitter.
    »Was
meine Cousine betrifft«, sagte Lord Guy, »so sind wir verlobt und wollen
zusammensein. Kommen Sie! Trinken Sie Ihren Tee, dann gehen Sie zu Bett. Ich
habe nicht die Absicht Sie anzurühren. In diesem abscheulichen Zimmer muss
einem ja alles vergehen.«
    »Das
ist ein ganz reizendes und schön eingerichtetes Zimmer«, brauste Esther auf.
    Er zog
eine Augenbraue hoch und ließ seinen Blick über die offene Bibel zu den
abweisenden Möbeln und den trübseligen Vorhängen wandern.
    »Da
sehen Sie es!« fuhr Esther fort, als er nicht antwortete. »Warum sollte ich
heiraten? Warum sollte ich mir meinen Geschmack verleiden und das ruhige
Gleichgewicht meines Lebens durcheinanderbringen lassen?«
    »Aus
Liebe«, sagte er und stellte seine Teetasse ab. Er stand auf, und sie schrak in
ihrem Sessel zusammen. »Ich habe nicht vor, Sie zu küssen«, sagte er. »Gute
Nacht, Miß Jones.«
    Sein
Gesicht war plötzlich älter, müde und gezeichnet, und seine blauen Augen waren
ganz ernst. Er verbeugte sich und ging.
    Esther
saß allein da und blickte ins Kaminfeuer. Vielleicht fühlte er plötzlich eine
Abneigung gegen sie und würde weggehen und nie wiederkommen. Ihr Kopf begann zu
schmerzen, und sie stellte fest, dass Punsch eine bedrückende Wirkung auf sie
hatte.

    Lord Guy schloss in
der Clarges Street Nr. 67 die Haustür selbst auf. Drei seiner Diener warteten
auf ihn in der Halle: Rainbird, Angus MacGregor und Joseph.
    »Es war
nicht notwendig, dass Sie alle auf mich gewartet haben«, sagte Lord Guy ein bisschen
gerührt.
    Aber
den Gedanken, dass sie auf ihn gewartet hatten, um sich seiner anzunehmen, musste
er sich gleich wieder aus dem Kopf schlagen, als Rainbird sagte. »Wir müssen
etwas ganz Wichtiges mit Ihnen besprechen, Mylord.«
    »Kommen
Sie in den vorderen Salon«, sagte er mit einem Seufzer. »Ist Mr. Roger zu
Hause?«
    »Er ist
noch nicht von White zurückgekommen.«
    »Oh, da
ist er? Na, dann kommt er nicht vor morgen früh zurück. Raus damit, Rainbird.
Was gibt's?«
    Rainbird
brachte ein kleines schwarzes Notizbuch zutage. »Wir haben allen Grund zu der
Annahme, dass Ihr Diener Manuel ein französischer Spion ist«, sagte er. »Wir
haben uns erlaubt, seine Kleidung zu durchsuchen, als er schlief. Dabei haben
wir dieses Notizbuch gefunden. Es ist alles in spanischer Sprache, und von uns
kann keiner Spanisch.«
    »So
einen Unsinn habe ich noch nie gehört«, sagte Lord Guy lustlos. »Geben Sie es
mir.«
    Es
enthielt nur zwei Seiten Handschrift. Er las sie sorgfältig, während ein
Lächeln um seine Lippen spielte. »Wollen Sie, dass ich es Ihnen vorlese?«
fragte er.
    »Wenn
wir bitten dürfen, Mylord«, antwortete Rainbird.
    »Also
gut. Es fängt an: >Ich mag diesen Haushalt nicht. Der Butler ist ein
Scharlatan, der sich überhaupt nicht wie ein Butler benimmt. Er ist ziemlich
abweisend und übelriechend. Der Koch ist ein Barbar, ein Schotte mit der
Sprache eines Wilden. Er hat ein gefährliches Temperament. Der Lakai ist
ein...<« Lord Guy zog die Augenbrauen hoch. »Ich glaube wirklich nicht, dass
ich weiterlesen sollte«, sagte er. »Ich schlage vor, Sie bringen es wieder
zurück und lassen in Zukunft die Finger von der persönlichen Habe meines
Dieners. Mir scheint, die Leute, die die Notizbücher anderer Leute lesen,
ähneln den Leuten, die am Schlüsselloch lauschen. Sie hören nie etwas Gutes
über sich.«
    Rainbird
nahm das Buch, und die drei Diener schlurften beschämt hinaus.
    »Dieser
Giftzwerg«, kochte Angus, »schreibt all die boshaften Sachen.«
    »Ich
möchte wissen, was er über mich geschrieben hat«, sagte Joseph. »Wir sind die ganze
Nacht wegen nichts und wieder nichts aufgeblieben, und ich bin hundemüde. Ich
bin mit Lizzie gelaufen und gelaufen, wir haben schon gedacht, wir kommen nie
mehr heim.«
    Manuel
öffnete ein Auge, als Rainbird das Buch zurück in seine Tasche gleiten ließ.

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