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04 - Herzenspoker

04 - Herzenspoker

Titel: 04 - Herzenspoker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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schreckliche Frau, die versucht hat,
sie zu verderben, hatte die Stirn, das Doppelte zu verlangen. Ich habe ihr
gedroht, sie anzuzeigen.«
    Mr.
Roger schaute unterdessen in die benachbarten Logen und sah lauter schockierte
und missbilligende Gesichter. »War das Ihr erster Auftritt in der Gesellschaft,
Miß Jones?« fragte er.
    »Ja«,
sagte Esther. »Ich habe mein Debüt in der Gesellschaft gegeben.«
    »Das
Gefühl habe ich auch, Madam«, sagte Mr. Roger. »Man wird Ihnen niemals
verzeihen.«
    »Was? Dass ich das arme
Mädchen gerettet habe?«
    »Eine
Lady«, sagte Lord Guy, »darf nicht einmal wissen, dass es Freudenmädchen
überhaupt gibt. Ich glaube, es ist das Gescheiteste, jetzt zu gehen.«
    »Nein«,
sagte Esther entschieden. »Ich habe meine Pflicht getan. Ich habe vor, bis zum
Ende zu bleiben und hinterher auf den Ball und zum Abendessen zu gehen.«
    »Wie
Sie wollen«, meinte Lord Guy. »Aber ich bezweifle, dass man Sie einlässt. Haben
Sie vor, Ihr neues Hausmädchen mit auf den Ball zu nehmen?«
    »Natürlich.«
    Lord
Guy drehte sich auf seinem Stuhl herum und betrachtete Charlotte. Man sah ihr
an, dass sie Esther wundervoll fand.
    »Bringen
Sie sie zur Vernunft, Carlton«, rief Miß Fipps, aber er schüttelte den Kopf und
flüsterte: »Seien Sie still. Vielleicht kommt mir das Ganze zustatten.«
    Esther
wandte sich verbissen dem Geschehen auf der Bühne zu und schien sich brennend
für den Rest der Oper zu interessieren. Sie kämpfte gegen die bohrende Angst,
dass sie wirklich Schande über sich gebracht hatte. Aber es konnte nicht wahr
sein! Sie hatte sich gut benommen. Kein Mensch mit ein bisschen Herz und Gefühl
konnte ein Mädchen wie Charlotte in ihrem Kummer allein lassen.
    Schließlich
schleppte sich die langweilige Oper dem Ende entgegen.
    Esther
stand auf, um zu gehen.
    »Warten
Sie nur ein kleines Weilchen, Miß Jones«, bat Miß Fipps inständig. »Warten Sie,
bis diese unhöflichen Herren, von denen Sie gesprochen haben, gegangen sind.«
    »Also
gut«, willigte Esther widerstrebend ein. »Vielleicht können Sie Charlotte Ihre
Stola leihen, Miß Fipps. Die Offenherzigkeit ihres Kleides ist ihr furchtbar
peinlich.«
    Miß
Fipps händigte Charlotte ihre Seidenstola aus. Charlotte bedankte sich
schüchtern und bedeckte ihren tiefen Ausschnitt. Das Mädchen ist erstaunlich
ruhig und zufrieden, dachte Lord Guy. Ihr Vertrauen zu Esther schien grenzenlos
zu sein.
    Mr.
Roger öffnete den Mund, um zu protestieren und einen letzten Versuch gegen die
Demütigung, die Esther seiner Meinung nach erwartete, zu unternehmen, aber
bevor er ein Wort herausbrachte,
stieß ihm Lord Guy auf den Fuß, und er stieß statt dessen einen
Schmerzensschrei aus.
    Esther
schritt mit hocherhobenem Kopf an Lord Guys Arm aus der Loge. Mr. Roger bot Miß
Fipps den einen Arm und nach kurzem Zögern, Charlotte den anderen.
    Als sie
sich den geöffneten Flügeltüren, die in den Ballsaal ,führten, näherten,
bemerkte Lord Guy finster, dass alle Augen gespannt auf diese Türen gerichtet
waren.
    Esther
wollte den Ballsaal betreten. Da hielt ein Bediensteter seinen langen Stab mit
der goldenen Spitze quer über den Eingang und versperrte ihr den Weg.
    »Was
soll das heißen?« fragte Esther hochmütig.
    Auf der
anderen Seite der Sperre, die der Bedienstete errichtet hatte,
erschienen zwei Mitglieder des Opernausschusses, Lord Fremand und die Countess
of Weighton.
    »Sie
haben Unehre über sich gebracht, Miß Jones«, sagte die Countess. »Sie müssen
das Haus verlassen.«
    »Ich
habe einem Kind in Not geholfen.«
    »Sie
haben einen vulgären Zank um eine Prostituierte heraufbeschworen«, erwiderte
die Countess eisig. »Ist es nicht so, Fremand?«
    Der
ältliche Lord Fremand blickte jedoch zu Boden und antwortete nicht. Er hatte
Angst, dass ihn Lord Guy zum Duell herausfordern könnte.
    »Sie
ekeln mich an! Sie alle!« rief Esther mit blitzenden Augen.
    »Sie
können Ihren Ball und Ihre Opernloge und Ihre minderwertigen
Moralvorstellungen für sich behalten. Sie sind unehrenhaft, nicht ich. Kommen
Sie, Lord Guy.«
    »Ja,
Madam«, sagte er gehorsam.
    An der
Haupttreppe standen zwei stutzerhafte junge Männer. Als Esther vorbeiging,
spottete der eine: »So machen Sie also Ihr Geld, Sie Kupplerin. Lassen Sie uns
wissen, wenn Sie den Preis für die kleine Schönheit da festgesetzt haben.«
    Lord
Guy lächelte verbindlich, bevor er dem einen die Faust ins Gesicht schlug.
Unterdessen machte sich Mr. Roger, wie ein Bär brummend, über

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