04 Im Bann der Nacht
Schritt zurück. Conde Cezar mochte ja der arroganteste, nervendste Quälgeist sein, dem sie je begegnet war, aber seine Berührung konnte ihren Verstand in
null Komma nichts in Brei verwandeln. »Ich bin keine Kreatur.« Sie warf ihm einen vielsagenden Blick zu. »Wenigstens war ich das nicht, bevor ich Sie getroffen habe.«
»Anna, das Einzige, was ich weiß, ist, dass Naturgeister geboren und nicht gemacht werden. Ich habe nichts mit deinen Kräften zu tun.« Er studierte ihren skeptischen Gesichtsausdruck, bevor er den Kopf schüttelte. »Wir können nicht hier draußen bleiben.«
Doch sie blieb so hartnäckig stehen, als ob sie inzwischen Wurzeln geschlagen hätte. Es war sicher dumm gewesen, so übereilt nach Chicago zu reisen und Cezar entgegenzutreten, doch sie würde die Situation jetzt nicht noch schlimmer machen, indem sie mit jemandem, der sich selbst als Vampir bezeichnete, fröhlich pfeifend in die Dunkelheit verschwand. »Warum denken Sie, dass jemand mich zu töten versucht?«, wollte sie wissen.
»Gibt es einen anderen Grund dafür, dass ein Feuer vor deiner Tür entzündet wurde?«
»Es kann ein Unfall gewesen sein.«
Er blickte sie an, als ob sie nicht ganz richtig im Oberstübchen wäre. »Glaubst du das tatsächlich?«
»Ich weiß nicht.« Sie rieb sich die schmerzenden Schläfen. Wie lange war es her, seit sie zuletzt geschlafen hatte? Oder gegessen? Sie konnte sich nicht einmal erinnern. »Gott, ich hatte genug Verrücktheiten für heute. Dieser Tag könnte nicht noch schlimmer werden.«
»Du darfst das Schicksal niemals in Versuchung führen, querida «, warnte er sie sanft. »Das ist eine Lektion, die ich auf eigene Gefahr lernte.«
Sie schnaubte und ließ den Blick über seine dunkle, unwiderstehliche Schönheit wandern. Seine Gesichtszüge waren genauso erhaben und fein geschnitten wie vor zweihundert
Jahren. Und in dem dichten schwarzen Haar gab es nicht eine graue Strähne, die seine Perfektion gestört hätte. »Sie sehen mir nicht so aus, als ob Sie im Lauf der Jahre viel gelitten hätten.«
Etwas Gefährliches blitzte in seinen Augen auf, etwas so Gefährliches, dass sie hastig einen Schritt nach hinten tat.
»Du hast nicht den Hauch einer Ahnung, süße Anna«, sagte er kalt. »Aber vorerst bin ich mehr daran interessiert herauszufinden, wer dich zu töten versucht und aus welchem Grund. Hast du irgendwelche Feinde?«
Sie strich sich hastig eine Haarsträhne hinter das Ohr, als ihr zu Bewusstsein kam, dass sie einen Nerv getroffen hatte, der wohl besser in Ruhe gelassen wurde. Was sie über Vampire wusste, mochte in einen Fingerhut passen, aber es schien allgemein ein guter Grundsatz zu sein, keinen von ihnen zu provozieren. Vor allem nicht, wenn sie allein mit einem von ihnen auf einer dunklen Straße stand. »Ich bin eine Anwältin, die täglich gegen die mächtigsten Unternehmen kämpft«, gab sie zu. »Ich habe eine endlose Liste von Feinden.«
»Und will einer von ihnen dich tot sehen?«
»Nein, natürlich nicht. Das ist lächerlich.«
»Du hast mehr als zwei Jahrhunderte gelebt«, hob er hervor. »In dieser Zeit musst du zwangsläufig einige Leute verärgert haben.«
Anna dachte an die endlosen Jahre, die sie in fast vollständiger Einsamkeit verbracht hatte, während sie Hilfsarbeiten verrichtet hatte und ständig von einer Stadt in die andere gezogen war, um möglichst anonym zu bleiben. »Die letzten Jahre habe ich sehr unauffällig gelebt. Es ist nicht leicht zu erklären, warum ich nicht mal Falten bekomme, während alle um mich herum alt werden.«
Die Kälte verschwand aus den schwarzen Augen. »Ja, dieses Problem ist mir vertraut.«
Anna fragte sich einen Moment lang, wie alt Cezar wohl genau war. Ein paar hundert Jahre? Einige tausend? Sie verdrängte diesen Gedanken. Auch nach all diesen Jahren wirkte die Unsterblichkeit immer noch wie ein eigenartiger, absurder Traum auf sie. »Ich kam schließlich zu dem Entschluss, dass ich das Versteckspielen satthatte«, fuhr sie fort. »Wenn ich schon ewig lebe, wollte ich wenigstens etwas tun, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.«
In Cezars Augen blitzte der Schalk. »Indem du dich mit irgendwelchen Unternehmen anlegst?«
»Und was tun Sie?«, ereiferte sie sich.
Er ließ seinen Blick an ihrer schlanken Gestalt entlang nach unten gleiten und ließ ihn auf ihrem Dekolleté ruhen. »Ich beschütze schöne Frauen vor den unheimlichen Wesen der Nacht.«
Anna unterdrückte ein kleines Stöhnen, als sie
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