04 - komplett
sicherstellen, dass sich keine Degen über unseren Limonadengläsern kreuzen!“
„Oh, Beth, lass uns beide gehen!“, schlug Charlotte hastig vor, wobei sie Eleanor bedeutungsvoll anblickte. „Verzeih, dass wir dich so schnell verlassen, meine Liebe, aber gewiss wirst du auch die Gesellschaft deiner Mama genießen. Wenn es dir recht ist, will ich dich morgen gern besuchen.“
„Selbstverständlich“, stimmte Eleanor zu, bezweifelte jedoch, sich an dem Beisammensein mit ihrer Mutter erfreuen zu können, da diese zunehmend unberechenbare Tendenzen aufwies. Nun gerade wiegte sie sich vor und zurück, wobei sie ein Kinderlied summte und dabei fast außer Atem geriet.
Suchend schaute Eleanor sich nach ihrem Gatten um, in der Hoffnung, mit ihm zusammen der Situation entkommen zu können, doch war er leider nicht zu sehen.
Stattdessen erklang eine einschmeichelnde Stimme hinter ihnen: „Wünschen Sie etwas zu trinken, meine Damen? Erlauben Sie ...“
Es war Lord Kemble, der unbemerkt herangetreten war und ihnen servil lächelnd zwei Gläser mit Ratafia offerierte. Lady Trevithick griff so hastig nach dem Fruchtlikör, dass sie den Inhalt fast verschüttete, und nahm einen kräftigen Schluck.
„Guter Mann, Kemble!“, lobte sie ihn, während Eleanor ihr Glas nur zögernd in Empfang nahm.
Sie machte sich nichts aus diesem Getränk und noch weniger aus dem Überbringer, in dessen Augen unangemessene Verehrung glühte. Aufs Neue, verzweifelt diesmal, hielt sie nach Kit Ausschau.
„Vermissen Sie Ihren Gemahl, meine Liebe?“, fragte Kemble leise, wobei er sich zu ihrem Ohr hinabbeugte. „Ich fürchte, er fand anziehende Gesellschaft im Erfrischungsraum. La Perla, Sie verstehen? Man könnte sagen, die beiden erneuern ihre Bekanntschaft ... Ich hörte, sie standen sich sehr nahe, als er im Winter in Italien weilte ...“
Eleanor sog scharf die Luft ein, denn ein messerscharfer Schmerz stach ihr ins Herz.
So war dies also die Sängerin, mit der Kit so hartnäckig in Verbindung gebracht wurde! Wie konnte er die Stirn haben, sie zu einer Vorstellung seiner Geliebten mitzunehmen? Eine vollendete Künstlerin, in der Tat! Dies wusste ihr Gatte offenbar am besten ... Die Schamröte stieg ihr ins Gesicht.
Kemble schien hocherfreut über das Ergebnis seiner Enthüllung. „So hatten Sie keine Ahnung?“, fragte er, ein widerwärtiges Lächeln auf den Lippen. „Du lieber Himmel ...“
Mühsam beherrscht begegnete Eleanor seinem Blick. „Diese Gerüchte sind Unsinn, Mylord, wie Sie wohl wissen! Ich will nichts mehr davon hören ...“
„Schnickschnack, ganz recht“, kam Lady Trevithick ihr unerwartet zu Hilfe. „In Irland war Mostyn, nicht in Italien, verstehen Sie? Man munkelt, dass die Gefahr eines Aufstandes bestand. Ich weiß es von meiner Dienerschaft!“ Sie stupste Eleanor mit ihrem Glas. „Halte das, mein Kind, ich brauche etwas aus meinem Retikül!“
Von einem Wechselbad der Gefühle bewegt, ließ Eleanor ihre Blicke von ihrer Mutter zu Lord Kemble wandern, dem inzwischen das Lächeln vergangen war. „Da hören Sie es, Mylord! Mein Gemahl war in Irland, nicht in Italien“, erklärte sie mit Nachdruck. „Natürlich kann man das leicht verwechseln, ist man in Geografie nicht recht bewandert ...“
„Es scheint, ich wurde widerlegt, Mylady“, steckte Kemble peinlich berührt zurück und schaute mit unverhohlenem Ärger auf Eleanors Mutter, die ihrer Tochter nun eins der Gläser wieder entriss und den Inhalt hinunterstürzte. „Jedoch würde ich an Ihrer Stelle auf Lady Trevithick achten“, versetzte er gehässig, „sonst macht sie sich noch zum Gespött der Leute! Ich wünsche noch einen schönen Abend.“
Damit entfernte er sich, während Eleanor sich vor Scham und Verdruss kaum zu helfen wusste und einen großen Schluck Ratafia nahm, um ihre Erregung zu meistern. Es stimmte ja – ihre Mutter veränderte sich auf merkwürdige Weise, und niemand konnte voraussehen, was sie als Nächstes tat. Jetzt gerade leerte sie in aller Seelenruhe ihr Retikül auf einem Stuhl aus und ordnete die Sachen zu einem Muster, was viele ihrer Bekannten aus einem gewissen Abstand heraus neugierig beobachteten. Dann sammelte sie leise summend ihre Besitztümer wieder ein, einen glücklichen Ausdruck auf ihrem Gesicht.
„Mama“, flüsterte Eleanor ihr eindringlich ins Ohr, während sie ihr behilflich war, Kämme, Taschentücher und das Laudanumfläschchen wieder zu verstauen, „wollen Sie sich vielleicht
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