04 - komplett
getrunken?“
„Nun, Lord Kemble gab mir Ratafia, aber ich trank nur ein einziges Glas, was mir bisher stets gut bekam. Doch haben Sie keine Sorge, Kit! Ich bin selig ...“
Von außen fiel Laternenlicht in die Kutsche und streifte sein Gesicht. Eleanor sah, wie bekümmert er dreinblickte, und wollte ihm so gern das Rätsel lösen helfen ...
„Laudanum“, sagte sie entgegenkommend und zuckte zusammen, als ihr Gemahl hart ihre Schultern fasste.
„Au! Sie tun mir weh!“, beklagte sie sich, glitt von seinen Knien und landete halb sitzend, halb liegend auf der Bank. Kit schüttelte sie sanft, wobei ihr Kopf hin und her schwang. Sie kicherte.
„Eleanor!“, fragte er drängend. „Haben Sie Laudanum eingenommen?“
„Nicht, dass ich wüsste“, antwortete sie und bemühte sich, die Augen geöffnet zu halten. „Vor Jahren habe ich es ausprobiert, doch seither nicht mehr. Vorhin wollte Mama welches haben, aber ihr Fläschchen war schon leer ...“
Sie hörte ihren Gemahl stöhnen und schmiegte sich sehr eng an ihn.
„Ob ich unsere Gläser verwechselt habe?“, überlegte sie in heiterem Ton. „Als sie mir das ihre zu halten gab ...“
„Irgendetwas haben Sie genommen!“, insistierte er ungehalten; sie aber schloss die Augen und ließ ihren Kopf an seine Schulter sinken.
„Ich verstehe nicht, was Sie so verärgert, Kit“, wunderte sie sich und wand sich ein wenig unter seinem Griff. „Bin ich doch von Herzen vergnügt! Es muss passiert sein, als Sie mit La Perla beschäftigt waren. Und obschon ich mich freue, dass sie nicht Ihre Geliebte ist“, hier stieß ihr der Fruchtlikör auf, „bekam ich Ohrenschmerzen von ihrem Gesang ...“
„Ich finde es bemerkenswert, dass Sie offenbar noch ein zweites Selbst besitzen“, stellte ihr Gatte fest und zog sie wieder auf seinen Schoß. „Die Lateiner nennen es Alter Ego. Jedenfalls machen Sie den Eindruck auf mich, als hätten Sie dem Alkohol rege zugesprochen. Sind Sie erfahren in Rauschzuständen, meine Liebe?“
Eleanor lächelte. „Natürlich nicht! Bis vor Kurzem ließ Mama mich nichts anderes als Tee und Limonade trinken.“ Sie stutzte. „Da fällt mir ein, zu Jahresbeginn versuchte ich ein paar Gläser Punsch, weil ich es für angebracht hielt, mir als verheirateter Frau einen leichtlebigen Anstrich zu geben.“
„Warum taten Sie das?“, fragte Kit verblüfft.
„Nun, weil man mich als ‚Die verlassene Braut‘ titulierte, und da hätte ich es vorgezogen, als ‚Die flotte Lady Mostyn‘ bezeichnet zu werden!“ Sie spürte, dass Kit plötzlich wie versteinert dasaß, und fügte in liebenswürdigem Ton an: „Seien Sie unbesorgt, Kit, diese Phase ist längst abgeschlossen. Wissen Sie, die Flatterhaftigkeit liegt mir nicht, denn ich kümmere mich viel zu sehr um die Meinung anderer!“ Dann ereilte sie ein neuer Gedanke. „Es wäre ja auch nicht recht, da ich mit Ihnen verheiratet bin. Sie mögen mich für unkeusch halten, doch irren Sie. Deswegen auch bin ich doppelt froh, dass Sie mit La Perla kein Verhältnis haben ...“ Obwohl glücklich, dies klargestellt zu haben, war sie bestrebt, ihr Bekenntnis zu vervollständigen.
„Natürlich gab es ein paar Gentlemen, die mich küssen wollten ...“, setzte sie an.
„Das sollen sie nicht noch einmal versuchen“, brummte er und schlang die Arme fester um sie. Eleanor lächelte selig, war es doch zu schön, die Freundin ihres Ehemanns zu sein!
„Es tut mir unsagbar leid, meine Liebe; nie wünschte ich unserer Ehe solch unglücklichen Beginn“, sagte Kit mit gepresster Stimme und küsste ihr Haar. Eleanor versuchte ihn zu beruhigen.
„Jetzt ist ja alles in Ordnung“, verkündete sie edelmütig und rutschte im Bestreben, besser zu sitzen, auf Kits Knien hin und her. „Oh, Verzeihung, haben Sie es meinetwegen unbequem?“, fragte sie, da sie spürte, wie er unter ihr erstarrte.
„Ein bisschen schon; doch nicht so, wie Sie vermuten“, antwortete er mit trockenem Humor. „Darf ich vorschlagen, unser Beisammensein zu nutzen, uns besser kennenzulernen?“
Eleanor nickte. „Sie fangen an!“, forderte sie ihn auf.
„Nun denn“, stimmte Kit ihr liebenswürdig zu. „Glauben Sie an die Liebe, Eleanor?“
Die Liebe! Eleanor zog die Stirn kraus. Für gewöhnlich hatte sie einige Ideen zu diesem Thema beizusteuern, doch war sie jetzt gerade zu schläfrig, sich auch nur auf eine einzige zu besinnen.
„Eine schwierige Frage!“, stellte sie fest. „Was denken Sie denn selbst darüber,
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