04 - komplett
im Baum. Erst jetzt begann er zu ahnen, dass Cassie eine starke Persönlichkeit besaß.
Sein Plan war es gewesen, einige Tage zu warten, bevor er ihr einen Antrag machte und sie bei seiner Mutter ließ, während er für eine Weile nach London ging. Doch nun dachte er, wie viel interessanter es sein würde, noch ein wenig zu bleiben.
„Oh, sehr wichtig sogar“, antwortete er ihr. „Ständig mit seinem Ehepartner uneins sein, nicht auszudenken! Welch erfrischende Sicht von der Ehe Sie doch haben, Miss Thornton. Eine Partnerschaft also. In der Tat, der Gedanke gefällt mir.“
„Finden Sie denn nicht, dass die Ehe zum beiderseitigen Nutzen der Ehepartner bestehen sollte?“
„Oh doch! Zweifellos. Glauben Sie, man kann in der Ehe das vollkommene Glück finden?“
„Nein“, antwortete sie schlicht. „Aber ich glaube, es kann in der Ehe ein gemeinsames Leben in Harmonie geben, wenn beide bereit sind, zu nehmen und zu geben.“
„Ich verstehe. Und haben Sie auch Liebe in Betracht gezogen, Miss Thornton?“
„Liebe?“ Cassie schüttelte nach kurzem Zögern den Kopf. „Nun, verliebt zu sein muss recht unangenehm sein. Ich werde nicht zulassen, dass mein Urteil davon getrübt wird.“
„Ach?“, meinte er leise. „Was für eine vernünftige junge Dame Sie doch sind.“ Sie erreichten gerade die Ställe, und er warf ihr noch einen letzten nachdenklichen Blick zu, bevor er hinzufügte: „Wie ich sehe, hat mein Stallbursche die Pferde bereits gesattelt. Ich fürchte, wir werden unser Gespräch an einem anderen Tag fortsetzen müssen.“
„Augusta Simmons!“ Lady Longbourne setzte eine Miene des Abscheus auf. „Nein, Carlton, das kann ich nicht erlauben. Die Frau ist ein Dummkopf und eine Heuchlerin. Keinesfalls die richtige Person, um deine zukünftige Braut dem ton vorzustellen. Nein, wahrlich nicht! Ich hatte nie etwas für sie übrig. Zu aufgeblasen.
Ich muss mich wirklich wundern, wie du sie je in Betracht ziehen konntest!“
„Verzeih mir, Mama“, warf Vincent ruhig ein. „Es war nicht meine Idee, sondern Miss Thorntons. Wie es scheint, hat sie etwas Geld geerbt und möchte es für eine Saison in London verwenden. Dafür braucht sie aber eine Anstandsdame.“
„Das ist meine Rolle“, erwiderte seine Mutter und erhob sich aufgebracht. „Das habe ich schon längst beschlossen. Und ich werde Cassandra vorschlagen, dass wir alle bereits nächste Woche nach London fahren. Sobald wir unsere Garderobe aufgefrischt und die Einladungen losgeschickt haben, werden wir ihr zu Ehren ein Dinner geben.“
„Bist du sicher, dass es dich nicht zu sehr anstrengen wird, Mama?“
„Noch leide ich nicht unter Altersschwäche, mein lieber Sohn“, fuhr sie ihn an. „Seit ein paar Tagen fühle ich mich ein wenig besser. Außerdem darf keine Rücksichtnahme auf mein eigenes Wohl je meiner Pflicht im Weg stehen. Deiner Frau muss die Aufmerksamkeit zuteil werden, die ihre Position in der Gesellschaft verdient. Meine Gesundheit tut da nichts zur Sache. Du weißt genau, mir ist nichts wichtiger als das Glück meiner Söhne, Carlton.“
„Wenn du also entschlossen bist, Mama, solltest du Miss Thornton davon in Kenntnis setzen, damit sie ihrerseits Mrs. Simmons schreiben kann. Und Mama ... ich danke dir für deine Freundlichkeit, vergiss aber bitte nicht, dass Cassandra noch nicht eingewilligt hat, meine Frau zu werden.“
„Wirst du um sie anhalten, bevor wir abreisen, oder später?“
„Ich denke, wir sollten ihr etwas Zeit lassen, uns besser kennenzulernen, meinst du nicht auch?“
„Wie du möchtest.“ Ihre Ladyschaft runzelte leicht die Stirn. „Du weißt, dass diese Verbindung mir nicht recht war, Vincent, aber jetzt, da ich Cassandra kenne, habe ich meine Meinung geändert. Sie neigt dazu, ein wenig zu offen zu sprechen, doch abgesehen davon hat sie gute Manieren. Alles in allem halte ich sie für ein gutes Kind. Sie ist keine Schönheit, gewiss, jedoch präsentabel ... und liebenswert. Ich glaube, sie wird sehr gut zu dir passen, Carlton. Tatsächlich bin ich davon überzeugt, dass du keine Bessere finden könntest.“
„Wirklich, Mama?“ Vincent musste lächeln. „Was mich angeht, habe ich nichts gegen ihre offene Art. Ich finde sie eher reizend. Ob wir allerdings gut zueinander passen oder nicht, wird sich noch zu gegebener Zeit zeigen.“
„Ich dachte, es sei eine Frage der Ehre für dich?“
„Ja, das dachte ich auch“, erwiderte Vincent mit einem seltsamen Lächeln und küsste
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