04 - komplett
hätte wie jetzt.
Verdammt, er wollte Cassie nicht aufgeben! Warum sollte er? Sie sollte ihr Versprechen einhalten. Doch wenn sie es bereute? Wenn sie sich nun wirklich in George Saunders verliebt hatte und irgendwann in Zukunft eine Affäre mit ihm einging? Nein! Das würde er niemals zulassen, niemals! Viel besser war es, Cassie jetzt gehen zu lassen, falls sie es wünschte.
Vincent verließ die Bibliothek und ging die Treppe zu seinem Schlafzimmer hinauf.
Wenn es geschehen musste, dann auf die richtige Weise, auf eine Weise, wie sie einem Gentleman anstand.
In seinen Räumen holte er den Ersatzschlüssel aus der Schublade der Kommode.
Cassie schlief vielleicht schon, aber je eher er es hinter sich brachte, desto besser war es. Bevor er es sich anders überlegte.
Leise schloss er die Tür auf und betrat Cassies Zimmer. Das Licht seiner Kerze fiel auf ihr Bett, und er blieb wie angewurzelt stehen. Doch dann entspannte er sich, und sogar ein Lächeln umgab seine Lippen, als er sah, wie fürsorglich Cassie den Arm um das Mädchen neben sich gelegt hatte.
Sie war so wunderschön! Einen Moment lang konnte er nicht den Blick von ihr nehmen und wurde von einer nie gekannten Sehnsucht überwältigt.
Dorkins hatte ihm vorhin von Taras Verschwinden berichtet, aber natürlich war niemandem der Gedanke gekommen, hier nach ihr zu suchen. Doch wohin sollte sie sonst geflohen sein als zu der Frau, die sie auch das erste Mal gerettet hatte? Und Cassie hatte sie auch dieses Mal nicht enttäuscht.
Um ihren Schlaf nicht zu stören, verließ er den Raum genauso leise, wie er ihn betreten hatte, und schloss wieder hinter sich ab. Er wusste, dass er nun doch nicht mit Cassie reden würde. Der Himmel mochte ihm vergeben, aber er konnte einfach nicht! Es überstieg seine Kräfte. Wenn Cassie nicht zu ihm kam und ihn um ihre Freiheit bat, würde die Hochzeit wie geplant stattfinden.
Monsieur Marcel war gerade dabei, Pfannkuchen zu backen. In seinen Händen gerieten sie zu kleinen, hauchdünnen Leckerbissen, die daraufhin mit Branntwein flambiert und schließlich mit Himbeeren und Orangensauce serviert werden würden. Er sah erst wieder auf, als ihm auffiel, dass eine plötzliche Stille eintrat und alle zur Tür sahen. Monsieur Marcel drehte sich um. Die Verlobte seines Herrn hatte gerade eben die Küche betreten und blickte in seine Richtung.
Cassie lächelte ihn an. In seiner Verblüffung fiel dem begnadeten Koch der Löffel aus der Hand. Doch dann fasste er sich, kam um den Tisch herum und verbeugte sich sehr elegant für einen Mann seines Umfangs.
„Mademoiselle“, sagte er. „Ich bin geehrt durch Ihre Besuch. Es ist ... magnifique .“
„Hier also kreieren Sie die köstlichen Speisen, die ich so sehr genossen habe“, erwiderte Cassie und sah sich um. „Bitte verraten Sie mir, Monsieur, bekommen Sie auch alles, was Sie benötigen? Gibt es etwas, das wir verändern können, um Ihnen die Arbeit zu erleichtern?“
„Ich ’abe alles, was nötig ist, Mademoiselle.“ Er war sichtlich geschmeichelt. „Nur vielleicht der Ofen. Er ist ein wenig ... wie soll ich sagen? Ein wenig antiquiert? Jetzt gibt es moderne Öfen, die sind wahre Wunder. Ich dachte ...“
„Ja, natürlich. Ich werde nachher gleich mit Dorkins sprechen. Er wird veranlassen, dass Sie alles bekommen, was Sie für nötig befinden.“ Sie schenkte ihm ein Lächeln, das auch stärkere Männer in die Knie gezwungen hätte. „Monsieur, ich bin persönlich gekommen, um mich für ein sehr törichtes Mädchen zu entschuldigen und Sie anzuflehen, ihr zu vergeben.“
„Sie haben mit Tara gesprochen?“, rief Monsieur Marcel. „Sie liegt nicht tot in irgendeiner Goss’?“
„Nein, in der Tat nicht. Sie ist unter mein Bett gekrochen und war die Nacht über bei mir. Sie weiß, dass sie Ihr Vertrauen missbraucht hat, und ist untröstlich. Dabei bewundert sie Sie doch so sehr, Monsieur. Zwar könnte sie es nie, aber sie möchte nichts lieber als in Ihre Fußstapfen treten und eine große Künstlerin in der Küche werden. Ist es denn ganz unmöglich, dass Sie ihr in Ihrer Herzensgüte vergeben?“
„Sie bewundert mich?“ Monsieur Marcel blinzelte fassungslos. „Sie ist wirklich sehr töricht, nicht wahr?“, sagte er schließlich. „Aber ich werde tun, was geht. Sie muss lernen, das Kochen zu respektieren.“
„Ich habe sie bereits gescholten“, versicherte Cassie ihm nicht ganz wahrheitsgetreu.
„In Zukunft wird sie sich gewiss mehr Mühe
Weitere Kostenlose Bücher