04 - komplett
ist er nicht Vincents Trauzeuge?“
„Carlton hätte jemand anders finden können“, sagte Lady Longbourne. „Da es schon vereinbart ist zwischen euch, lässt es sich eben nicht ändern.“ Sie warf einen Blick auf die Uhr, die sie an ihrem Mieder befestigt hatte. „Nun müssen wir aber wirklich heimfahren.“
Zu Hause angekommen, nahm Cassie den Hut ab und reichte Mrs. Dorkins ihre Handschuhe.
„Seine Lordschaft hat nach Ihnen gefragt, Miss Thornton“, sagte die Haushälterin. „Er bittet Sie, ihn so bald wie möglich in seinem Arbeitszimmer aufzusuchen.“
„Danke, Mrs. Dorkins. Ich gehe gleich zu ihm.“
Sie versprach Sarah, nicht lange auf sich warten zu lassen, und machte sich auf den Weg zu Vincents Lieblingszimmer, das sich im hinteren Teil des Gebäudes befand und eine wundervolle Aussicht auf den Garten bot. Sie trat ein, als Vincent auf ihr Klopfen antwortete. Er stand am Fenster, allem Anschein nach für einen Ausritt gekleidet, und blickte hinaus, doch dann wandte er sich um und lächelte.
Ihr Herz schlug schneller.
„Ah, Cassie, du bist wieder da. Ich hoffe, dass ihr euch beim Einkaufen gut unterhalten habt?“
„Es war sehr schön“, erwiderte sie. „Es gibt wohl keine Frau, die nicht gern die Läden durchstöbert.“
„Noch eins der Privilegien einer Frau, nehme ich an.“
Cassie lachte. „Oh ja, obwohl es auch ermüden kann, wenn man zu lange suchen muss, bevor man findet, was man braucht.“
Er zwinkerte ihr zu. „Das kann ich mir vorstellen. Allerdings habe ich dich bei solchen Gelegenheiten noch nie müde werden sehen. Übrigens, Monsieur Marcel hat mir gesagt, dass du ihn neulich in der Küche besucht hast, Cassie“, wechselte er das Thema. „Wenn ich recht informiert bin, hast du ihm einen neuen Ofen versprochen.“
„Ja. Ich hoffe, es macht dir nichts aus.“ Cassie fühlte sich ein wenig unwohl unter seinem forschenden Blick. War er verärgert darüber, dass sie sich eingemischt hatte?
„Ein Ofen kostet wohl recht viel, aber man muss immer darauf bedacht sein, seine Bediensteten glücklich zu machen. Meinst du nicht?“
„Ganz und gar.“ Er lächelte amüsiert. „Monsieur Marcel soll sich in Zukunft ruhig in allem an dich wenden. Besonders da du es irgendwie geschafft hast, dass er dir aus der Hand frisst, Cassie. Kümmere du dich bitte von jetzt an um ihn, wenn es dir nichts ausmacht. Ich gebe zu, ich fand die Wutausbrüche des Mannes ein wenig ermüdend.“
„Oh.“ Cassie lächelte erleichtert, als sie erkannte, dass er sie nur wie üblich neckte.
Die seltsame Stimmung, die ihn neulich Abend überkommen hatte, schien verschwunden zu sein. „Ich glaube, er ist ziemlich einsam und sehnt sich nach seiner Heimat. Aber ich übernehme die Aufgabe sehr gern. Ich weiß, wie beschäftigt du bist. Und solche Dinge erwartet doch jeder Gentleman von seiner Gattin, nicht wahr? Ich verspreche dir, ich werde mein Bestes tun, dich zufriedenzustellen, wenn wir verheiratet sind.“
„Tatsächlich?“, fragte er nachdenklich. „Wenn wir verheiratet sind ...“
„Findest du unsere gegenwärtige Lage nicht ein wenig sonderbar?“ Sie begegnete seinem Blick offen und entschlossen. „Wir kennen uns seit mehreren Wochen und sind uns nicht wirklich nähergekommen. Ich glaube, das muss sich ändern, sobald wir Mann und Frau sind.“ Sie hielt inne, jetzt doch ein wenig verlegen. „Glaubst du das nicht auch, Vincent?“
„Ja, Cassie.“ Er lächelte auf eine Weise, die ihr Herz zum Rasen brachte. Plötzlich war sie ganz atemlos. „Ich glaube, vieles wird sich dann ändern. Und ich kann es kaum erwarten, dich zu meiner Frau zu machen.“
Cassie erschauerte, als sie den vertraulichen Ton in seiner Stimme hörte. Er würde sie küssen! Sie spürte es, sehnte es herbei und stand regungslos da, bis Vincent sie zu sich heranzog. Und dann war sie in seinen Armen, und er drückte sie fest an sich.
Wieder durchlief sie ein Schauer der Erregung, als er sie auf die Lippen küsste.
Zuerst war der Kuss sanft, doch dann zog Vincent sie noch dichter an sich, und sie erwiderte den Kuss atemlos. Die Gefühle, die sie plötzlich erfassten, drohten sie zu überwältigen. Lieber Himmel, sie würde gleich ohnmächtig werden! Es war so wunderbar aufregend und gleichzeitig beängstigend, auf eine solche Art geküsst zu werden. Wie unterschiedlich von all den anderen Malen, da er ihr keusche Küsse auf die Wange gegeben hatte. Jetzt weckte er Sehnsüchte in ihr, die sie nicht für
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