04 - komplett
als närrisch oder wortbrüchig dastehen. Was werden die Leute von mir denken?“
„Dass es sehr weise von dir ist, von der Hochzeit zurückzutreten, bevor es zu spät ist, vielleicht?“
„Nein, selbstverständlich nicht! Warum sollten sie? Jeder, der dich kennt, wird denken, dass ich den Verstand verloren habe.“
Vincent zuckte die Achseln. „Ich bin immer noch mehr als bereit, dich zu heiraten.
Tatsächlich denke ich, du hast mich sehr schlecht behandelt, Cassie. Wenn ich ein rachsüchtiger Mensch wäre, was ich natürlich nicht bin, müsste ich dich vor Gericht bringen, weil du dein Eheversprechen brechen willst.“ Er sah sie mit leicht spöttischem Lächeln an. „Nun, was soll es also sein, Cassie? Wirst du mich heiraten oder nicht?“
„Du ... du unausstehlicher Kerl!“, schimpfte Cassie. „Du bist abscheulich. Ich muss völlig von Sinnen sein, dich heiraten zu wollen. Na schön! Du hast gewonnen, aber mit Methoden, die ich nur schändlich nennen kann. Ich werde deine Frau werden, wenn auch nur, weil es zu viel Lärm verursachen würde, es nicht zu tun. Außerdem möchte ich Lady Longbourne, die ich sehr gernhabe, auf keinen Fall betrüben.“
„Jetzt hast du es mir aber gegeben, was, Cassie?“ Vincent zeigte nicht die geringste Reue. „Eine Frage der Ehre also?“ Es war nur allzu offensichtlich, dass er sich köstlich amüsierte. „Lass es uns ganz deutlich aussprechen, mein Liebes, wenn es dir nichts ausmacht. Du willigst ein, meine Gattin zu werden, weil du alle anderen nicht enttäuschen möchtest?“
„Nein ... ja!“, fuhr sie ihn an. „Würde es nicht vielen Menschen, die mir etwas bedeuten, Kummer bereiten, würde ich dir jetzt sofort den Laufpass geben. Du bist ein unmöglicher Mann, und ich ... kann dich nicht leiden. In diesem Moment verabscheue ich dich sogar!“
„Aber du wirst mich heiraten?“
„Ja, wenn auch nur, um dir das Leben zur Hölle zu machen. Und glaube ja nicht, dass ich das nicht kann; ich versichere dir, dass ich das sehr wohl kann ... und auch tun werde!“
Ein winziges Schluchzen entrang sich noch ihrer Kehle, bevor Cassie aus dem Raum lief und ihren Bruder und Vincent betroffen zurückließ.
Jack war einen Moment still, dann sah er Vincent an. „Was sagst du dazu? Ich schwöre dir, ich habe sie noch nie so außer sich erlebt. Vielleicht ein wenig dickköpfig, aber sonst das liebenswerteste Geschöpf. Jetzt ist es allerdings besser, du lässt sie erst einmal in Ruhe. Hör auf meinen Rat, Vinnie.“
„Meinst du?“ Vincent lächelte. „Ich muss sagen, ich finde ihr Verhalten sehr interessant.“
„Weil du nicht weißt, wie weit sie zu gehen bereit ist, um ihr Ziel zu erreichen. Ich warne dich, Vinnie, am Ende wird sie sich doch durchsetzen.“
„So, so“, meinte Vincent nur ungerührt.
„Frauen behalten immer die Oberhand“, fügte Jack hinzu. „Und meine Schwester ist das beste Beispiel dafür. Du weißt nicht, worauf du dich einlässt, Vinnie.“
„Doch, ich glaube schon. Cassie ist zu vielen Dingen fähig“, sagte Vincent zufrieden.
„Ein heftiges Temperament und Leidenschaft gehen immer Hand in Hand.“
Jack betrachtete ihn misstrauisch. „Du hattest gar nicht vor, sie sitzen zu lassen oder dich von ihr wegschicken zu lassen, oder?“
„Nein, natürlich nicht.“ Vincent lachte leise. „Ich ließ sie nur gewähren, um zu sehen, was sie tun würde.“
Jack stieß einen lang gezogenen Pfiff aus. „Donnerwetter! Du hast dich in sie verliebt, hab ich recht?“
„Hals über Kopf“, gab Vincent zu. „Bis eben dachte ich, dass ich Leidenschaft für sie empfinde, während sie lediglich eine bequeme Ehe eingehen möchte. Aber weißt du, Jack, jetzt hoffe ich, sie hat doch ein kleines bisschen mehr für mich übrig.“
„Ach Quatsch, sie liebt dich!“, rief Jack. „Deswegen war sie auch so wütend.“
„Ja“, erwiderte Vincent lächelnd. „Aber glaubst du, sie ist bereit, das auch zuzugeben?“
11. KAPITEL
Allein in ihrem Schlafzimmer entledigte Cassie sich hastig ihrer Kleider, warf sie achtlos beiseite, ließ sich auf das Bett fallen und brach in Tränen aus. Das Herz war ihr schwer, und sie fühlte sich erschöpft und zutiefst unglücklich.
Was sollte sie nur tun? Vincent hatte den Spieß einfach umgedreht, und jetzt saß sie durch ihre eigene Unvorsichtigkeit in der Falle.
Oh, dieser abscheuliche Mann! Wie konnte er sie so behandeln? Sie wünschte, sie hätte ihn nie kennengelernt. Wütend schlug sie auf ihr
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