04 - komplett
ihr Zimmer. Auf ihrer Kommode entdeckte sie eine kleine Schachtel und öffnete die beiliegende Karte. Für meine zukünftige Frau. In Liebe, Vinnie.
Cassie öffnete die Schachtel und entdeckte eine kleine silberne Figur – ein Reh und sein Kitz, dicht aneinandergeschmiegt. Sie hielt entzückt den Atem an und nahm das kleine Kunstwerk ehrfürchtig in die Hand.
Auf dem Boden der kleinen Schachtel lag eine weitere Karte mit einer sehr kurzen Nachricht.
Verzeih mir. Du warst und bist sehr viel kostbarer .
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Wie aufmerksam von Vincent, ihr dieses Geschenk zu machen. Sie wusste es mehr zu schätzen als die Carlton-Juwelen, so wie sie auch den Ring und den Anhänger liebte, die er gewiss speziell für sie hatte anfertigen lassen.
Jack musste ihm gesagt haben, dass sie Veilchen mochte. Sicher hatte Vincent sie, lange bevor er sie um ihre Hand bat, in Auftrag gegeben. Cassie fragte sich nur, warum er so lange gewartet hatte, wenn es ihm doch nur darum gegangen war, einer Ehrenpflicht nachzukommen.
Beim Dinner plätscherte die Unterhaltung zwischen Vincent und Jack zwanglos und heiter dahin. Sie gingen wieder miteinander um wie vor der schrecklichen Zeit im Krieg.
Nachdem Lady Longbourne den Schock über Jacks Auftauchen verwunden hatte, fiel ihr auf, wie nachdenklich Cassie Vincent ansah. Gleichzeitig bemerkte sie den unglücklichen Ausdruck im Gesicht des Majors. Er sah aus wie ein Mann, der die Situation unerträglich fand. Die heißen Blicke, mit denen er Cassie bedachte, beunruhigten Ihre Ladyschaft nicht wenig. Sie würde ein Auge auf diesen Mann haben müssen, damit er keine Dummheiten beging.
Später erhoben sich alle vom Tisch und begaben sich in den großen Ballsaal. Alle Möbel waren an den Rand geschoben, die Teppiche zusammengerollt worden, damit getanzt werden konnte. Eine Gruppe Musiker spielte bereits leise romantische Melodien.
Zwölf Gäste hatten gemeinsam zu Abend gespeist, weitere zwanzig waren zum Tanz und späteren Souper geladen worden. Wahrscheinlich würden es mehr Leute sein, als der Ballsaal fassen konnte. Doch gleichzeitig standen ein paar Kartentische im Salon zur Verfügung, der an den Saal angrenzte, und zweifellos würden sich einige der älteren Herrschaften schon bald dorthin zurückziehen.
Der Abend fand Cassie zu Ehren statt, und sie sah sehr anziehend aus in ihrem blassgrünen Kleid, dessen Saum mit Veilchen bestickt war. Dazu trug sie Vincents Anhänger und selbstverständlich auch ihren Verlobungsring, statt der auffälligeren und sehr viel teureren Carlton-Diamanten. Ihr schlichtes Kleid und ihre natürliche, bescheidene Art wurden von vielen gelobt, und mehrere Gentlemen beglückwünschten Vincent zu der Wahl seiner Braut. Sie und Vincent eröffneten den Tanz.
„Ich muss dir für dein Geschenk danken“, sagte Cassie leise. „Es ist wunderschön, und ich werde es immer in Ehren halten.“
„Du bist wunderschön“, erwiderte er und brachte sie damit zum Erröten. „Ich bin heute sehr stolz auf dich, Cassie. Aber wirst du mir verzeihen?“
„Dass du das Reh erschossen hast?“ Sie nickte. „Dir blieb keine andere Wahl, das weiß ich jetzt. Das arme Tier hatte große Schmerzen. Es wäre grausam gewesen, es leiden zu lassen, das sehe ich inzwischen ein. Wenn ich nicht so unbedacht gehandelt hätte, wäre es dir vielleicht möglich gewesen, den Wilderer zu verjagen und zu sehen, wie man dem Reh noch helfen könnte. Im Grunde ist alles viel mehr meine Schuld als deine.“
„Danke, das ist sehr großzügig von dir“, sagte er ernst. „Ich verspreche dir, du wirst nie wieder in solche Gefahr geraten. In meinen Wäldern sorgen meine Wildhüter dafür, dass nichts Derartiges geschehen kann. Ich habe Harry ermahnt, sich hier besser um die Sicherheit in seinem Wald zu kümmern. Hast du mir andere Dinge auch verziehen?“, fügte Vincent leise hinzu. „Oder ist mein Verhalten unverzeihlich?“
Sie musste sich einen Ruck geben, um ihn anzusehen, hielt dann aber seinem Blick stand. „Ich weiß es nicht genau. Sobald wir die Zeit dafür finden, würde ich gern mit dir darüber sprechen.“
„Du hast völlig recht, Cassie, jetzt ist nicht der richtige Moment.“ Er lächelte ihr zu, als die Musik aufhörte. „Lass uns fürs Erste einfach übereinkommen, dass wir Freunde sind –, wenn du das ertragen kannst.“
„Ja, natürlich“, erwiderte sie und ahnte nicht, welch verheerende Wirkung ihr Blick auf Vincent hatte. „Zumindest das
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