04 - Lebe lieber untot
bezahlen wir Ihre erste Verabredung.“ Ich lud Mia mit einer Geste ein, mir ins Büro zu folgen, und ließ mich hinter meinem Schreibtisch nieder. Dann rief ich die Infos auf, die sie Evie gegeben hatte, als sie den Termin vereinbart hatte.
„Hier steht, Sie sind Tattoo-Künstlerin?“ Als ob ich das nicht schon wüsste.
„Ich besitze meinen eigenen Laden unten im Village.
Vor zehn Jahren habe ich ganz klein als One-Woman-Show angefangen. Inzwischen arbeiten acht andere Künstler für mich. Vor Kurzem hab ich dann den Laden nebenan gekauft und meine Fläche damit verdoppelt, damit ich noch mehr Kunden annehmen kann. Zu Scribble - so heißt mein Laden - kommt jeder, der in New York jemand ist. Ich hab schon mit dem Sänger von Nickelback gearbeitet, mit der Moderedakteurin der Vogue und sogar mit Mr. Weather.“
Mr. Weather war ein hiesiger Star und der Junggeselle, um den es in der letzten Staffel von MMW gegangen war. Außerdem war er derjenige, den ich mit einer wilden Kutschfahrt durch den Central Park das Fürchten gelehrt hatte.
„Sie machen Witze, oder?“ Das Einzige, was mir bei Mr.Weather an Körperbemalung aufgefallen war, war sein exzessiver Umgang mit Selbstbräuner. Er war eitel und egozentrisch und total besessen von seiner Frisur. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass er an etwas, das er für einen perfekten Körper hielt, auch nur das Geringste ändern würde. „Sind Sie sicher, dass er es war?“, fragte ich. „Der Meteorologe von Channel 5?“
Sie nickte. „Ich hab ihm ein Selbstporträt auf den rechten Brustmuskel gestochen. Ich hatte es eigentlich aufs Schulterblatt machen wollen, aber ihm lag ganz besonders daran, sich selbst sehen zu können, ohne in einen Spiegel gucken zu müssen.“
Alles klar. Das war Mr. Weather.
„Ich arbeite wenigstens vierzehn Stunden am Tag und schaffe in der Zeit so zwei bis zehn Tattoos.“ Sie zog ein Messer aus der Tasche, klappte die Klinge auf und begann sich die Fingernägel zu säubern.
10
Ich weiß.
„Da bleibt nicht viel Zeit für Verabredungen“, sagte ich.
„Mein Sozialleben ist nicht im Arsch, weil ich so wenig Zeit habe. Zeit könnte ich mir nehmen. Das liegt eher an meinem Mangel an Geduld.“ Sie wedelte mit dem Messer. „Ich hasse es, Spielchen zu spielen. Es gibt bestimmte Dinge, die ich von einem Mann will, und ich hab kein Problem, ihm das auch einfach zu sagen. Die meisten sind davon aber ziemlich eingeschüchtert, und darum hab ich nicht allzu viele Dates.“
Das und die Tatsache, dass sie echt gruselig aussah.
„Also, was genau suchen Sie? Mitgefühl? Verständnis?
Jemanden, der die verstopfte Toilette wieder freikriegt?“
„Sex.“ Sie klappte das Angebermesser zu und stopfte es wieder in die Tasche (dankedankedanke). „Ich brauche ständig Sex. Wenigstens drei, vier Mal am Tag. Man sollte meinen, die Typen ständen bei mir Schlange, was?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nur... ich mag zwar Sex, aber keine bedeutungslosen Affären. Davon hatte ich echt genug. Ich will einen Kerl - mit perfektem Gesundheitszeugnis -, mit dem ich mich wieder und wieder... verbinden kann.“
„Und wieder.“
„Genau. Die meisten Kerle, die es gern häufig treiben, sind Aufreißertypen. Ich dachte, dass Buck, mein letzter Freund, eine Ausnahme wäre. Weder HIV noch Geschlechtskrankheiten. Der Typ hatte eine blütenreine Weste. Er hielt es acht Monate lang aus, aber dann haute er einfach ab. Er ließ mir einen Zettel da, auf den er geschrieben hatte, er könnte einfach nicht mehr und würde sich in ein Sanatorium in Hoboken einweisen lassen, da er seinen Penis überstrapaziert hätte. Dann schrieb er noch, ich wäre abartig und sollte zu den Anonymen Sexaholikern gehen.“ In ihren Augen glitzerte es verdächtig, und mir schnürte es die Brust zusammen. „Die Sache ist die: Ich war schon drei Mal bei SA, aber es funktioniert einfach nicht bei mir, weil ich es wirklich einfach nur schrecklich gern treibe.“
Amen.
„Vielleicht bin ich ja abartig“, fuhr sie fort, „aber wem schadet das? Es ist ja nicht so, als ob ich den ganzen Tag faulenzen und nur Sex haben würde. Ich bin eine produktive Mitbürgerin. Ich bezahle Steuern. Ich habe einen Job. Klar, ich mache öfter Pausen als die meisten anderen Leute, aber immerhin stehe ich nicht qualmend auf der Straße und ruinier mir die Lungen oder zieh mir 'ne Flasche Whiskey nach der anderen rein, bis meine Leber in Alkohol eingelegt ist. Ich trainiere meine Muskeln und
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