04 - Lebe lieber untot
um.
„Was war das denn?“ Carmens Blick war dem meinen gefolgt.
„Heißwasserboiler“, stieß ich hervor. „Der macht in letzter Zeit immer solche Sachen. Stimmt's, Evie?“ Ich rollte wild mit den Augen. „Vielleicht gehen Sie mal nachsehen, ob Sie den Krach irgendwie abstellen können. Hauen Sie doch einfach mit dem Schraubenschlüssel drauf oder so.“
„Oder vielleicht gehen Sie hin und hauen drauf, während ich schon mal mit Miss Giannos Profil anfange?“ Evie lächelte unschuldig und griff nach den Formularen.
„Also, eigentlich“, ich riss ihr die Unterlagen aus der Hand, „hatte ich mir schon einige Notizen gemacht und in den Computer eingegeben. Jetzt muss ich nur noch ein paar Fragen stellen, und wir sind fertig.“ Ich lächelte Carmen an. „Ich weiß ja, dass Sie beschäftigt sind, und wollte nicht allzu viel Zeit mit den Vorbereitungen verschwenden.“ Ich zwinkerte. „Wir wollen uns lieber auf das wirklich Wichtige konzentrieren.“ Jetzt schenkte ich Evie mein süßestes Lächeln. „Es ist überhaupt nicht nötig, dieselben Dinge noch einmal durchzukauen, da ich doch das meiste schon weiß.“ Ich formte mit dem Mund die Worte: Meine Finger brauchen Sie! in Richtung Evie, nachdem sie sich immer noch nicht rührte.
„Na schön.“ Endlich zuckte sie die Achseln. „Dann zieh ich mal los und zieh dem Heißwasserboiler eins über.“
Sie zog eine Flasche Lysol unter ihrem Schreibtisch hervor und stand auf.
„Wir gehen am besten in mein Büro.“ Ich machte eine einladende Armbewegung.
„Upps.“ Als ich mich auf Evies Ausruf hin umdrehte, stand sie da, mit einer Hand auf dem Türknauf von Raum A. „Das hab ich ganz vergessen, Ihnen zu sagen.
Ihre Mutter wartet immer noch auf Leitung eins.“
Ich sah Carmen hinterher, die gerade in meinem Büro verschwand, und zischte Evie über meine Schulter hinweg ein panisches „Sagen Sie ihr, ich rufe zurück!“zu.
„Tut mir leid.“ Sie lächelte und hielt die Flasche hoch.
„Ich hab zu tun.“
„Bitte -“, flehte ich, aber da hatte sie schon die Tür aufgerissen und wurde auf der Stelle von einer Wolke dicker, stinkender Luft aufgesogen.
Mein Magen sackte mir in die Kniekehlen.
Ich weiß, ich weiß.
Ich bin ein Wesen der Finsternis. Ein erbarmungsloses, blutrünstiges Geschöpf der Nacht. Ich könnte meine Drecksarbeit so was von selbst erledigen, einschließlich meiner Mutter mitzuteilen, dass ich sie zurückrufen würde, wenn es mir passte.
Aber Jacqueline Marchette war die Karriereleiter bei Schuldgefühle GmbH nicht dadurch hinaufgestiegen, dass sie eine besonders verständnisvolle Frau gewesen wäre.
„Es macht mir nichts aus zu warten, wenn Sie noch telefonieren müssen.“ Carmen wies auf das Telefon und das hektisch blinkende rote Licht.
Ich nahm all meinen Mut zusammen, griff mir den Hörer und flötete mit meiner Evie-Stimme: „Lil Marchette ist im Augenblick leider verhindert. Bitte rufen Sie später wieder an.“ Klong. „Also.“ Ich öffnete eine neue Datei auf meinem Computer, tippte Carmens Namen ein und wandte meine ganze Aufmerksamkeit ihr zu. „Dann erzählen Sie mir doch mal, was für einen Mann Sie suchen.“ Im Stillen sandte ich ein Gebet gen Himmel, dass sie auf skrupellose Muttersöhnchen stand.
„Na ja“, sie schien zu überlegen. „Ich hätte wirklich gerne jemanden, mit dem mich auf allen Ebenen etwas verbindet.“
Ich lächelte und tippte Vinnie im Abschnitt Must-haves ein. „Wenn Sie sagen, auf allen Ebenen, was genau meinen Sie damit? Auf körperlicher Ebene? Emotional oder moralisch?“
„Ja, ja und ja. Ich wünsche mir einen attraktiven Mann, der lieb und freundlich und süß ist.“
„Und Italiener?“
„Ein Italiener wäre gut.“
Mein Lächeln verbreiterte sich, während meine Finger über die Tastatur flogen. Balducci.
„Ich möchte jemanden, der auch mitfühlend ist.“
„Wenn Sie mitfühlend sagen, meinen Sie damit einen Mann, der fürsorglich ist, ja? Einen Mann, dem andere Menschen, sagen wir mal, am Herzen liegen? Wie zum Beispiel seine Mutter?“
„Selbstverständlich.“
Ich tippte Italiener, der seine Mutter liebt.
„Aber sie sollte ihm natürlich nicht wichtiger als ich sein. Ich möchte kein Muttersöhnchen.“
Ich tippte Du bist so was von im Arsch.
Ich wandte meinen Blick vom Bildschirm ab und griff nach einem unausgefüllten Profil. „Ich denke, wir werden genau den Richtigen für Sie finden. Füllen Sie doch einfach das erste Blatt mit den
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