04 - Lebe lieber untot
die Einzigen, die ihn überwältigen können. Ein Dämon kann nicht von einem anderen Dämon besessen werden.“
Genauso wenig, wie jemand, der reinen Herzens war (siehe oben - die Bemerkung bezüglich Heiliger).
Zumindest das hatte ich während meines Dämonenmarathons gelernt. Dies und dass der durchschnittliche Lakai des Teufels Möbel schweben lassen, fluchen wie ein Seemann und sich sturzbachartig und olympiaverdächtig übergeben konnte.
„Könntet ihr ihn nicht erst aus dem Körper austreiben und dann in die Hölle zurückbefördern?“
„Und wie sollten wir das deiner Meinung nach anstellen? Ein Geist ist nicht greifbar. Ich brauche aber irgendetwas Greifbares, das ich zurückschicken kann.“
„Und warum sperrst du ihn nicht einfach... in eine Flasche?“
„Er ist ein Dämon und kein Flaschengeist.“
„Und was ist mit einem extrareißfesten, wiederverschließbaren Gefrierbeutel?“ Ich weiß, ich griff nach jedem Strohhalm, aber ich musste doch um jeden Preis einen Weg finden, um Evie zu helfen.
„Er ist kein... Butterbrot. Es gibt nur einen einzigen Weg, ihn in die Hölle zurückzubefördern, und das ist: mittels eines greifbaren, verhackstückten Körpers.“
„Und wie ist er den Flammen der Hölle dann überhaupt entkommen?“
„Ein Nahtoderlebnis. Nicht alle Menschen sehen das sprichwörtliche helle Licht. Manchmal biegen sie auch ab und sehen stattdessen am Ende Höllenfeuer und Schwefel. In diesem Fall war es ein Bösewicht, der zwar für die Hölle bestimmt war, aber nach einem fast tödlichen Autounfall zu früh ankam. Der Dämon ist einfach aufgesprungen und mit zurückgereist, als der Big Boss den Neuankömmling sofort wieder nach Hause schickte.“
„Aber ich -“, begann ich einen neuen Einwand, doch Ash schnitt mir das Wort ab.
„Ich mein's ernst, Lil. Misch dich nicht ein.“ Und dann hängte r auf.
Ich grübelte den Bruchteil einer Sekunde über Ashs Worte ach und stieß dann Vinnie an. „Aufwachen.“ Als er sich nicht rührte, kniff ich ihn.
Sofort saß er kerzengerade da; sein orientierungsloser Blick jagte wild durch den Innenraum des Wagens.
„Was soll der Scheiß?“
„Wir fahren.“
„Nach Hause?“ Er sah so hoffnungsvoll (und erschöpft) aus, dass ich fast genickt hätte. Fast.
Aber ich hatte mich längst entschieden, Evie zu helfen, und daran würde sich auch nichts ändern, ganz egal, ob Ash mir eine Schweineangst einjagte.
Ich weiß, ich weiß. Supervampir, unbesiegbar, bla, bla, bla. Trotzdem schlug mir das Herz bis in den Hals, und der Magen drehte sich um, und ich fühlte mich, als ob ich einen der Golfbälle meines Vaters verschluckt hätte.
„Times Square.“ Ich brachte die Wörter nur mit Mühe heraus. „Und machen Sie schnell. Wir haben nicht viel Zeit.“
17
Es war halb eins in der Nacht, und wir waren in unserem fünften Club, als ich Evie endlich entdeckte.
Ich stand gleich hinter der Eingangstür vom Ladies Night, einer beliebten Martini-Bar für Lesben an der West Fortythird, gleich um die Ecke vom Hard Rock Cafe. Es war zwar meilenweit entfernt von meinen Lieblingsplätzen (Butter and the Beatrice Inn), doch stimmte es definitiv mit dem Modus Operandi des Dämons überein. Der Laden war ein wahrer Magnet für junge Dinger.
Pinkfarbene Wände setzten eine verspiegelte Bar in Szene, die sich über die gesamte Länge einer Wand erstreckte. Eine ziemlich große Tanzfläche dominierte das andere Ende des Raumes. Die Gäste stellten einen bunten Mix aus allen möglichen Schichten und Berufen dar, sie waren in alles Mögliche gekleidet, von bürotauglichen Hosenanzügen bis hin zu Jeans und T-Shirt. Die Luft stank nach Östrogen und Zigarettenrauch.
Mein Blick schnitt durch den hormonellen Nebel bis hin zu dem Pärchen am anderen Ende der Bar.
Dort stand Evie mit einem durchtrainierten Rotschopf in einem Tanktop, auf dem FOREVER FITNESS zu lesen war.
Ich sandte eine mentale Schwingung aus, und die Frau blickte auf.
Jean Crowder. Achtundzwanzig. Personal Trainer und Herausgeberin von Buch Beat, dem offiziellen Newsletter für die New Yorker Ortsgruppe der Frauen für die Förderung lesbischer Kultur. Gegenwärtig suchte sie aktiv nach einer ganz besonderen Frau (oder auch zweien), damit sie die Bar- und Partyszene zugunsten der Bequemlichkeit ihres eigenen Wohnzimmers (inklusive Videokamera) aufgeben konnte. Sie fand die Frau neben ihr überaus fotogen. Ihr Mundgeruch war zwar weniger angenehm, aber mit ein paar Tic Tacs wäre das
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