04 - Mein ist die Rache
und Birke. Der Teppich war handgewebt, der Wandbehang stammte eindeutig von einem Künstler. Tina Cogin liebte den Luxus, wie es schien.
»Hm«, meinte Helen, während sie das alles auf sich wirken ließ, »das Geschäft scheint zu florieren. Ah, da ist ja das Bügeleisen. Erinnere mich daran, es mitzunehmen, wenn wir gehen.«
»Gehen wir denn nicht jetzt?«
»Gleich, mein Schatz. Laß mir nur einen kleinen Moment Zeit, um mich umzusehen. Ich möchte gern ein Gefühl für diese Frau bekommen.«
»Aber wir können doch nicht -«
»Wir wollen Simon schließlich etwas erzählen können, wenn wir ihn anrufen, Deborah. Wär' doch ein bißchen mager, wenn wir lediglich berichten könnten, daß wir mehrmals vergeblich geklopft haben. Da hätte die Reise sich ja überhaupt nicht gelohnt.«
»Aber wenn sie plötzlich kommt? Helen! Überleg doch.«
Jeden Augenblick mit Tinas Rückkehr rechnend und krampfhaft überlegend, was sie zu ihr sagen würde, wenn sie plötzlich zur Tür hereinkommen sollte, folgte Deborah Helen in die Kochnische und sah ihr vor Nervosität zappelnd zu, wie sie in aller Ruhe die Küchenschränke öffnete. Es gab nur zwei, und sie enthielten lediglich das absolut Notwendige: Kaffee, Salz, Zucker, ein paar Gewürze, ein Päckchen Salzgebäck, eine Dose Suppe, einen Karton Cornflakes. Auf einem Board standen zwei Teller, zwei Suppenschalen, zwei Tassen und vier Gläser. Auf der Arbeitsplatte darunter stand eine geöffnete Flasche Wein, die noch zu drei Vierteln gefüllt war. Außer einer Kaffeekanne, einem verbeulten Topf und einem Emailkessel gab es keinerlei Kochutensilien. Über die Persönlichkeit Tina Cogins gab die Küche nur spärliche Auskunft. Helen faßte es zusammen.
»Sie scheint sich hier nichts zu kochen. Na ja, in der Praed Street gibt es massenhaft Lokale, bei denen man sich etwas holen kann.«
»Aber was macht sie, wenn sie Männer hier hat?«
»Tja, das ist die Frage. Vielleicht kredenzt sie ihren Freiern nur ein Glas Wein, ehe es zur Sache geht. Schauen wir mal, was es sonst noch zu sehen gibt.«
Helen ging zum Schrank und öffnete die Türen. Ordentlich auf Bügeln hingen Abend- und Cocktailkleider, mehrere Stolen - eine davon aus Pelz -, und darunter stand ein ganzes Sortiment hochhackiger Schuhe und Sandaletten. Im oberen Fach lagen Hutschachteln, darunter stapelten sich Negliges. Das unterste Fach war leer, jedoch ohne ein Stäubchen, was nahelegte, daß dort normalerweise etwas aufbewahrt wurde.
Helen tippte sich nachdenklich an die Wange und warf dann einen raschen Blick in die Kommode. »Nur Unterwäsche«, berichtete sie Deborah. »Scheint alles Seide zu sein, aber ich kann's mir verkneifen, da herumzukramen.« Sie stieß die Schubladen wieder zu und lehnte sich mit verschränkten Armen an die Kommode. »Warte mal, Deborah«, sagte sie mit gerunzelter Stirn. »Irgendwas - Moment mal.«
Sie eilte ins Badezimmer und rief: »Nimm dir doch inzwischen den Schreibtisch vor, hm?«
Das Apothekerschränkchen wurde geöffnet, eine Schublade quietschte, ein Schloß schnappte zu, Papier raschelte. Helen brummte vor sich hin.
Deborah sah auf ihre Uhr. Sie befanden sich noch keine fünf Minuten in der Wohnung. Es kam ihr vor wie eine Stunde.
Sie ging zum Schreibtisch. Es stand nichts darauf als ein Telefon und ein Anrufbeantworter, neben dem ein Notizblock lag. Obwohl Deborah sich dabei äußerst albern vorkam, hielt sie, vor allem, weil ihr nichts Besseres einfiel, den Block ans Licht, um zu sehen, ob sich im Papier irgendwelche von einem Stift hinterlassenen Druckstellen erkennen ließen. Aber außer einigen punktförmigen Abdrücken, die nichts besagten, sah sie nichts. Sie wandte sich den Schubladen zu. Die ersten beiden waren leer. In der dritten lagen ein Sparbuch, ein brauner Hefter und eine einsame Karteikarte. Deborah nahm sie heraus.
»Komisch«, sagte Helen, als sie aus dem Bad kam. »Sie ist seit zwei Tagen weg, wenn uns die Nachbarin die Wahrheit gesagt hat, aber sie hat ihre gesamten Schminksachen hier gelassen. Sie hat kein einziges Abendkleid mitgenommen, aber die Tageskleider fehlen alle. Und im Bad liegt eine ganze Garnitur dieser scheußlichen künstlichen Fingernägel. Du weißt schon, die man aufkleben muß. Wieso hat sie die runtergenommen? Wo es doch so eine Strapaze ist, sie aufzukleben.«
»Vielleicht ist es eine Ersatzgarnitur«, meinte Deborah.
»Vielleicht ist sie aufs Land gefahren, irgendwohin, wo sie keine eleganten Sachen braucht und wo ihr
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