04 Verhaengnisvolles Schweigen
Toronto, Kanada. Ist das richtig?«
Sie nickte. »Er konnte hier keine Arbeit finden. Unser Bernie war ein kluger Junge. Hatte einen Universitätsabschluss. Aber es gab keine Arbeit. Vor acht Jahren ist er ausgewandert.«
»Was hat er in Toronto gemacht?«
»Er war Lehrer an einem College. Hat Englisch unterrichtet. Ein guter Posten. Wir wollten ihn nächstes Jahr besuchen.«
Als sie sich die Tränen wegwischte und die Nase putzte, zündete sich Banks eine neue Zigarette an.
»Können Sie mir seine Adresse geben?«
Sie nickte. »Sei so lieb, Les«, sagte sie. Ihr Mann ging zu einem Regal und zog ein zerfleddertes WoolworthAdressbuch hervor.
»Wie oft kam Bernard nach Hause?«, fragte Banks und schrieb sich die Adresse in Toronto auf.
»So oft er konnte. Das neulich war sein dritter Besuch, aber vorher war er vier Jahre nicht hier. Er hatte richtig Heimweh.«
»Warum ist er dann in Kanada geblieben?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Geld. Hier gibt es keine Arbeit für ihn, oder? Nicht, solange Thatcher das Land regiert.«
»Worüber hat er geredet, wenn er mit Ihnen zusammen war?«
»Nichts Besonderes. Familienkram.«
»Hat er zu Ihnen irgendwas gesagt, das Ihnen seltsam oder ungewöhnlich vorkam, Mr Haines?«
»Nein. Wir haben nicht viel miteinander geredet. Zu wenig Gemeinsamkeiten. Ich bin kein großer Leser und war nie gut in der Schule. Und Bernie kannte nur seine Bücher. Manchmal haben wir über Bier geredet. Was man drüben so trinken kann. Er hat mir erzählt, dass er in Toronto einen netten Pub gefunden hat, wo er John Smith's und Tartan vom Fass kriegen konnte.«
»Das war alles?«
Haines zuckte mit den Schultern. »Wie ich sagte, wir hatten nicht viel gemeinsam.«
Banks wendete sich wieder an Mrs Haines. »In welcher Gemütslage war Ihr Bruder? War er über irgendwas betrübt, deprimiert?«
»Er hatte eine Scheidung hinter sich, seit ungefähr einem Jahr«, sagte sie, »und das bedrückte ihn ein bisschen. Ich glaube, deswegen hatte er auch Heimweh. Aber ich würde nicht sagen, er war richtig deprimiert, nein. Er schien mit dem Gedanken zu spielen, auf kurz oder lang wieder zurückzukommen und hier zu leben.«
»Hat er etwas über seine Arbeit gesagt?«
»Nein.«
»Wie hätte er es denn anstellen können, wieder hierher zu ziehen?«
Esther Haines schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Er hat es nicht gesagt. Er hat es nur angedeutet. Vielleicht war es nur Wunschdenken oder so, jetzt wo er Barbara nicht mehr hatte.«
»Das war seine Frau?«
»Ja.«
»Was ist zwischen den beiden vorgefallen?«
»Sie ist mit einem anderen Mann davon.«
Esther atmete tief ein und tupfte ihre rot unterlaufenen Augen. »Er wollte für einen Monat nach England kommen, mehr weiß ich nicht«, sagte sie. »Zuerst hat er eine Woche lang Freunde in London und Bristol besucht, dann kam er hierher. Jetzt hätte er wieder zurückreisen wollen, nicht wahr, Les?«
»Wissen Sie, wie man diese Freunde erreichen kann?«, fragte Banks.
Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Es waren Bernies Freunde von der Universität.«
»Welche Universität?«
»York.«
»Und Sie kennen sie nicht?«
»Nein. Sie stehen in seinem Notizbuch. Er hatte immer ein Notizbuch voller Namen und anderem Zeug bei sich.«
»Wir haben es nicht entdeckt. Egal, wir werden sie schon irgendwie finden.« Falls nötig, dachte Banks, könnte er Bernard Allens Kommilitonen durch die Universitätsleitung ausfindig machen. »Wissen Sie, wohin er nach Swainshead wollte?«
»Er wollte noch einen Freund in Edinburgh besuchen und dann von Prestwick zurückfliegen. Man kann von dort mit Wardair nach London fliegen, hat er gesagt, und dann von dort weiter.« Sie nahm wieder das Taschentuch an die Nase und schniefte.
»Ich schätze, von dieser Person in Edinburgh haben Sie auch keine Adresse?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Also«, sagte Banks, drückte seine Zigarette aus und streckte seine Hand nach der Teetasse aus, »er ist hier am dreizehnten Mai zum Bergwandern in die Dales abgereist und dann -«
»Nein, das stimmt nicht«, unterbrach ihn Mrs Haines. »Deswegen ist er nicht da hingefahren.«
»Warum dann? Aus Sentimentalität?«
»Teilweise, nehme ich an. Aber er wollte zu Freunden.«
»Welche Freunde?«
»Sam und Katie. Sie betreiben ein Gästehaus, Greenock's. Bernie
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