04 Verhaengnisvolles Schweigen
eines Polizisten lehne ich natürlich nicht ab.«
»Können wir reinkommen?«
»Selbstverständlich. Meine Frau kann uns eine Kanne Tee machen.« Er suchte in der Hosentasche nach seinen Schlüsseln, fand schließlich den richtigen und steckte ihn in das Schloss. Für eine Weile stocherte und drehte er den Schlüssel im Schloss herum, dann drehte er sich zu Banks um und runzelte die Stirn. »Seltsam. Es war gar nicht abgeschlossen. Punkt zehn schließt Katie normalerweise ab, die Gäste kommen dann mit ihrem Zimmerschlüssel rein. Und so dunkel ist es sonst auch nicht. Sie macht für die Gäste das Dielenlicht an. Die Gäste sind wahrscheinlich alle noch im Pub, aber ich habe keine Ahnung, wo Katie steckt.«
Banks und Hatchley folgten ihm durch die Eingangstür in die dunkle Diele. Sam schaltete das Licht an. Auf dem lackierten Tisch lag neben einem Stapel Touristenführer, Landkarten und Werbebroschüren regionaler Firmen und Freizeitziele das geöffnete Gästebuch. Automatisch betrachtete sich Sam in dem Spiegel über dem Telefon und strich erneut durch seine Locken.
»Katie!«, rief er.
Keine Antwort.
Er ging in den Speisesaal und drückte auf den Lichtschalter. »Verdammte Scheiße!«
Banks ging hinter ihm her. »Was ist?« Alles, was er sehen konnte, war der Raum, in dem er und Hatchley gefrühstückt hatten. Im gedämpften Licht schimmerten die lackierten Tische dunkel.
»Sie hat die Tische für morgen früh nicht gedeckt. Sie hat nicht mal die Scheißtischtücher aufgelegt«, sagte Sam. Die Frage, warum und wann Katie verschwunden sein könnte, schien ihn eher wütend zu machen als mit Sorge zu erfüllen.
Vor dem Treppenabsatz blieben sie stehen. Sam rief erneut und erhielt wieder keine Antwort. »Sieht aus, als wäre sie nicht zu Hause«, sagte er verwirrt. »Ich habe keine Ahnung, wo sie um diese Zeit sein könnte.«
»Vielleicht hat sie Sie verlassen«, gab Banks zu bedenken.
»Werden Sie nicht komisch. Wohin sollte sie denn gehen? Und warum überhaupt?«
Sie gingen weiter bis zur Tür, die den Privatbereich der Greenocks vom Rest des Hauses trennte.
»Katie!«, rief Sam mit der Hand auf der Türklinke noch einmal.
Immer noch keine Reaktion. Die totale Stille im Haus ließ Banks' Alarmglocken läuten.
Sam machte die Tür auf und ging durch den kurzen, schmalen Flur, der die beiden Teile des Hauses verband. Banks und Hatchley schlossen sich ihm an. Als sie dicht gedrängt hinter Sam hergingen, streiften sie die Mäntel, die auf beiden Seiten an Haken hingen. Die einzige schwache Beleuchtung kam vom Ende des Durchgangs.
»Wenigstens hat sie hier das Licht angelassen«, sagte Sam.
Das Licht schien durch die Milchglasscheibe der Wohnzimmertür. Sam rief erneut den Namen seiner Frau, bekam aber keine Antwort. Er öffnete die Tür zum Wohnzimmer und blieb wie erstarrt stehen.
»Herr im Himmel«, stammelte er, stolperte dann rückwärts gegen Banks, schlug die Hände vor die Augen und sackte langsam zu Boden.
Banks erlangte sein Gleichgewicht wieder, schob Sam zur Seite und ging auf die Tür zu. Hatchley war gleich hinter ihm. Erschrocken und entsetzt von dem Bild vor ihnen hielten sie auf der Türschwelle inne. Banks hörte Hatchley ein Gebet murmeln. Vielleicht war es auch ein Fluch.
Das ganze Zimmer war voller Blut: Der Teppich, das Sofa, der Kamin und selbst die Wand über dem Kaminsims waren wie mit widerlichen Hieroglyphen bespritzt. Nichts bewegte sich. Nicholas Collier lag mit eingeschlagenem Schädel und zermanschtem Gesicht reglos halb auf dem Sofa, halb auf dem Teppich. Wenn nicht seine hervorstehenden gelben Zähne gewesen wären, die zersplittert und im Schmerz und Schock entblößt waren, wäre er überhaupt nicht mehr zu erkennen gewesen.
Katie saß auf der Lehne des Sofas und hielt noch das schwere Holzkreuz ihrer Großmutter in der Hand, das auf dem Kaminsims gestanden hatte. Ihre wunderschönen braunen Augen betrachteten Dinge, die niemand sonst sehen konnte. Die Vorderseite ihres Kleides war an einer Seite aufgerissen, ein paar Tropfen Blut glitzerten auf der bleichen Haut ihrer Brust, unter der feine blaue Äderchen pulsierten.
ENDE
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