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040 - Die Tochter der Hexe

040 - Die Tochter der Hexe

Titel: 040 - Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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erhofft hatte, der über das Leben erhaben sein müßte, weil er bereits tot war, schien ebenso hilflos zu sein wie wir.
    „Sie sind doch bereits seit Jahren tot“, sagte ich. „Wissen Sie noch immer nicht, welche Kräfte Ihnen zur Verfügung stehen?“ Es klang vorwurfsvoll.
    Sie schüttelte traurig den Kopf. „Drüben“, erklärte sie, „gibt es nichts zu tun, nicht so wie hier. Wir warten nur alle. Die einen gehen schneller, die anderen langsamer. Manche gehen nur durch und verschwinden gleich. Aber andere sind schon lange hier – weil sie berühmt waren, weil viele sich an sie erinnern. Weil sie in Geschichtsbüchern stehen oder in Lexika und jedermann von ihnen weiß.“
    „Sie meinen“, unterbrach ich sie erregt, „man kann sich im Leben eine Art von Unsterblichkeit schaffen?“
    Sie nickte zustimmend. „Aber es bedeutet nichts, weil auch das, was danach kommt, noch nicht das Ende ist.“
    „Es klingt bitter, wie Sie es sagen. Ist dieses Warten auf das Vergessen werden nicht unerträglich?“
    „O nein“, unterbrach sie mich. „Es ist nicht anders als die Gewißheit des Todes im einstigen Leben. Es ist auch kein Warten im irdischen Sinn des Wortes, mehr ein Meditieren. Ich kann es nicht beschreiben. Aber mir bleibt wenig Zeit. Wir sollten sie nicht vergeuden mit Dingen, die für das Leben wenig Bedeutung haben. Ich kenne meine Kraft hier nicht, weil es jenseits keine physikalischen Kräfte gibt. Sie haben es schon bemerkt: Ich habe keinen Körper. Er ist nur ein Teil der Beschwörung. Er besteht aus einer Art von Ektoplasma, wie es die Spiritisten nennen. Aber es stammt nicht aus dem Körper eines Mediums, es stammt nicht einmal aus dieser Welt. Ich weiß nicht, was es ist – nur manchmal ist mir. als hätte es Hunger nach lebender Materie. Ihr dürft mir nicht zu nahe kommen!“
    Wir sahen sie betreten an, blaß vor Furcht.
    Nach einer Weile fragte Gisela: „Was sollen wir tun?“
    „Dem ursprünglichen Plan folgen“, rief Wilma. „Nach Bernheim fahren und die Tamil ausschalten. Es ist der einzige Weg. Und ich komme mit. Vielleicht ergibt sich doch eine Möglichkeit, wie ich tun kann, was Mutter wollte. Eines weiß ich sicher: gegen die Art von Zauber, die mich einst tötete, bin ich nun immun.“
    Kurz vor halb zehn trafen wir in Bernheim ein. Der Ort war finster wie ein Grab. Nur zu unserer Linken, im Moor draußen, glaubte ich manchmal ein Flackern zu sehen, aber ich war mir dessen nicht so sicher.
    Es war verdammt verräterisch, in den ausgestorbenen Ort zu fahren, aber ich hatte mir einen kleinen Trick zurechtgelegt. Wilma sollte sich möglichst aus dem Sichtbereich halten. Ich würde Gisela vor ihrem Haus absetzen und nach ein paar Minuten mit dem Wagen (und Wilma) den Ort wieder verlassen – gerade so weit, bis die Hügel die Sicht versperrten. Dort wollten wir den Wagen verbergen und uns an den beschwerlichen Weg über die Hügel machen, um zum Haus der Tamil zu gelangen.
    Ich fuhr also mit aufgeblendeten Scheinwerfern durch die schmalen Gassen. Nichts geschah, und ich war fast enttäuscht. Gisela hatte Angst. Ich lächelte ihr beruhigend zu, aber die Angst war zu groß. Wilma kauerte auf dem Rücksitz unter einer Decke. Es war ja immerhin möglich, daß in der Dunkelheit jemand heranschlich und einen Blick ins Wageninnere warf, während ich Gis ins Haus begleitete.
    Ich spürte, wie sie zitterte, als sie aufschloß.
    „Keine Bange“, sagte ich. „Du wirst nicht lange allein bleiben. Ich komme zurück, so rasch ich kann. Schließ die Türen ab und halt uns die Daumen, daß alles glatt geht.“
    Sie nickte. Wir traten in den finsteren Hausflur. Sie machte Licht, und wir verabschiedeten uns, als ob wir uns zum letztenmal sahen – was auch gut möglich war. Furcht beflügelt alle Gefühle!
    Als ich auf den Wagen zuschritt, erklang plötzlich ein Schrei im Haus, der mich herumfahren ließ. Während ich von plötzlicher Panik erfaßt zur Haustür zurücklief, kam ein neuer Schrei – schrill und von namenlosem Entsetzen erfüllt. Ich trommelte gegen die Tür.
    „Gis!“ rief ich verzweifelt. Aber sie hörte mich nicht, taub von ihrem Schrei, der nicht enden wollte, immer nur kurz unterbrochen, wenn die ausgepumpten Lungen Luft holten. „Oh mein Gott, Gis!“ Ich hetzte an die Forderfront des Hauses und wickelte dabei meinen Arm in meine Jacke. Ich schlug gegen das Fenster, das beim zweiten Schlag nachgab. Ich griff in die ausgezackte Öffnung, fand den Riegel und stieß das

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