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040 - Die Tochter der Hexe

040 - Die Tochter der Hexe

Titel: 040 - Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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Fenster auf.
    Mit einem Sprung war ich drinnen. Ein lauter summender Ton versetzte das Haus fast in Vibration. Ich stand in der Küche. Die Schreie kamen aus einem der hinteren Räume. Auch das Summen schien von dort zu kommen.
    Hastig schob ich die Stühle zur Seite und lief nach hinten. Das Wohnzimmer stand leer. Die Tür daneben war zu. Ich stieß sie auf und hielt entsetzt inne. Nur mit Mühe unterdrückte ich die intensiven Fluchtgedanken.
    Gisela lag am Boden. Ihre Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen. Sie schien von Sinnen vor Angst. Ihre Arme waren abwehrend erhoben. Aber es nützte wenig gegen den Alptraum, der mit bösartigem Surren über sie herfiel.
    Eine gigantische Wespe von gut zwei Meter Länge kletterte über das hilflose Mädchen, ihre Flügel in rasender Bewegung, daß die Luftstöße mich taumeln ließen. Der riesige, gelb-schwarz gestreifte Hinterleib mit dem gefährlichen Stachel war zum Stich gekrümmt.
    Ich weiß nicht, woher ich den Mut nahm, aber mit einem wilden Aufschrei stürzte ich auf die Bestie. Es war Giselas Tod, wenn der Stachel zustieß!
    Ein betäubender Geruch von Honig war um mich. Im nächsten Augenblick prallte ich gegen den Schrank, zu benommen, um sofort zu begreifen.
    Ich hatte ins Leere gegriffen. Ich war durch das Tier hindurch gefallen – im wahrsten Sinne des Wortes. Als wäre sie substanzlos. Und dann dämmerte mir, daß sie dies wohl auch war.
    Ein magischer Trick! Die Tamil hatte zugeschlagen. Und wir waren direkt in die Falle gegangen. Es lag so nahe, daß sie in Giselas Haus etwas vorbereitete. Aber jetzt kamen Ärger und Reue zu spät. Gis hatte aufgehört zu schreien, einfach weil ihr die Stimme versagte. Sie wehrte sich noch immer verzweifelt. Ich sah den Stachel herabkommen. Verdammt, was konnte ich nur tun?
    Ich mußte das Mädchen außer Reichweite der Bestie bringen. Ich sprang erneut dazwischen. Obwohl ich nun wußte, daß die Wespe nur eine Illusion war – für mich wenigstens, für Gis scheinbar nicht – gelang es kaum, das Grauen zu überwinden. Ich riß Giselas Beine zur Seite – buchstäblich im letzten Moment. Der Stachel zuckte auf den Boden, ein bösartiges Summen betäubte mich fast. Ich warf mich auf das Mädchen, um sie mit meinem Leib zu schützen, aber vergeblich. Die Beine des Insekts trampelten durch mich hindurch, als wäre ich gar nicht vorhanden. Aber ich spürte, wie sie tief in Giselas Fleisch einsanken. Der Stachel hatte sich wieder gehoben und schwebte nun über uns, aber der betäubende Honiggeruch schien die Wut der Wespe besänftigt zu haben. Emsig kletterte sie über uns, während ihre Mundwerkzeuge über Gis Körper wanderten. Die Flügelvibration hatte aufgehört. Es war still im Raum. Da waren nur Giselas ersticktes Stöhnen und undefinierbare Geräusche von dem Insekt.
    Deutlich wurde mir in diesem Augenblick, da ich dicht an Gisela gepreßt lag und verzweifelt versuchte, ihre abwehrenden Bewegungen zu unterbinden, die die Wespe nur reizen mußten, bewußt, daß das Tier nur für sie real war. Die Beine traten durch mich hindurch und fanden elastischen Widerstand bei Gis. Es war Wahnsinn! Ich sah diese chitinösen Füße durch mich dringen und fühlte wie das Fleisch unter mir unter dem Gewicht nachgab. Giselas Gesicht war vor Grauen verzerrt. Stammelnde Laute, halbe Schreie kamen aus ihrem Mund. Aber ich vermochte sie bewegungslos zu halten, obwohl sie nicht zu begreifen schien, daß ich bei ihr war. Ich redete auf sie ein, beruhigend, bittend, erklärend, aber sie stand unter einem Schock, den ich nicht zu beseitigen vermochte, auch nicht mit Küssen und Zärtlichkeiten, mit denen ich sie in meiner Verzweiflung aus ihrem Grauen zu reißen versuchte.
    Der Honigduft ging deutlich von ihr aus. Er war wohl der Köder für die Wespe. Wenn ich nur verhindern konnte, daß Gis sich wehrte und damit das Tier reizte. Vielleicht würde es verschwinden, wenn der ganze Honig weg war, aber das mochte Stunden dauern. Und ich konnte nichts tun. als sie festhalten, denn selbst der Honig war ein Teil der Illusion.
    So blieb ich liegen und hielt Gis mit aller Kraft fest. Ich redete auf sie ein, fast beschwörend. Aber sie war zu taub vor Entsetzen; sie hatte nur Augen – weit aufgerissene Augen – für den gewaltigen Kopf des Insekts, der sich immer wieder auf sie herabsenkte.
    Plötzlich wurde Gisela ruhig unter mir. Sie erschlaffte, und ich dachte, sie hätte das Bewußtsein verloren. Ihre Augen waren noch immer offen, aber leer,

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