040 - Paris, Stadt der Sünde
neben dem breiten Baldachinbett öffnete. Sollte sie auch diese Tür gefunden haben, würde er sie von Antoine eintreten lassen.
Im Vorzimmer war es still und dunkel. Bei Tageslicht schimmerten die Seidentapeten in einem eleganten Graublau, doch nun waren im schwachen Kerzenlicht nur graue Schatten zu erkennen.
Bald hatten seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt, zudem verbreitete der Vollmond einen fahlen Schein. Er blies die Kerze aus, öffnete den Wandschrank und tastete nach dem Riegel.
Und dann hörte er das Klicken. Er stieß die Tapetentür sachte auf und trat ins Schlafzimmer, lautlos wie ein Gespenst.
Sie lag halb ausgestreckt auf der Chaiselongue, neben sich einen Kerzenleuchter, ein offenes Buch auf dem Schoß. Und die hübsche kleine Pistole in ihren Händen zielte direkt auf sein schwarzes sündiges Herz.
„Wie in drei Teufels Namen sind Sie wieder an diese garstige Waffe gekommen?“, murmelte er im Nähertreten.
„Charles Reading gab sie Jacobs zurück, der wiederum der Ansicht war, wir brauchen Schutz in diesem verruchten Haus. Apropos, wo ist eigentlich Jacobs?“
„Wer, wenn ich fragen darf, ist Jacobs?“ Er schlenderte durchs Zimmer, verfolgt vom Lauf der Pistole.
„Unser Kutscher.“
„Sie besitzen keine Kutsche.“
„Seien Sie nicht so pedantisch“, tadelte sie gereizt. „Früher hatten wir mehrere Kutschen. Er begleitete uns nach Frankreich und blieb als unser Beschützer.“
„Aha, der diebische Kutscher. Darf ich mir die Bemerkung erlauben, dass er als Beschützer jämmerlich versagt hat?“
„Er hat sein Bestes getan. Wo ist er?“
„Ich nehme an, er begleitet die sterblichen Überreste Ihrer Mutter und Ihrer Amme nach England, um sie dort begraben zu lassen.“
Um ein Haar hätte sie die Waffe fallen gelassen, was ein Unglück ausgelöst hätte, wäre sie losgegangen. „Was?“
„Ich dachte, die beiden wären gerne in englischer Erde begraben. Also sorgte ich für ihre Überführung und dafür, dass sie auf dem Landsitz Ihres Vaters ihre letzte Ruhe finden.“
„Und Sie fanden es nicht nötig, mein Einverständnis einzuholen?“
„Es war Eile geboten, obgleich der strenge Winter sich in diesem Fall als hilfreich erwies. Denken Sie etwa, es wäre nicht im Sinne der Verstorbenen gewesen?“
„In Nanny Maudes Sinn gewiss. Sie hat sich immer nach England gesehnt. Meine Mutter hingegen würde sich im Grab umdrehen, wenn sie wüsste, dass sie neben meinem Vater bestattet wird.“
„Sind Sie denn tatsächlich der Meinung, Ihre Mutter habe ewigen Seelenfrieden verdient?“
„Meiner Meinung nach hatte meine Mutter bereits zu Lebzeiten die Hölle auf Erden.“
„Gewiss. Allerdings hat sie ihre Töchter freizügig an ihrem Höllendasein teilnehmen lassen, vor allem ihre ältere Tochter. Ich glaube weder an den Himmel noch an die Hölle, also kann ich mir nicht vorstellen, dass es von Bedeutung ist, wo sie begraben liegt. Aber ich bitte dennoch um Nachsicht für meine romantische Anwandlung.“
„Es bleibt mir kaum etwas anderes übrig“, entgegnete sie spitz.
„Richtig. Darf ich mich setzen?“
„Nein.“
„Sie bringen mich in Verlegenheit. Wenn ich mich dennoch setze, bin ich dann nur unhöflich, oder feuern Sie auf mich? Sie haben mir eigentlich schon genügend Kleider ruiniert, und an diesem Abendanzug hängt mein Herz. Es wäre ärgerlich, das kostbare Stück von Pistolenkugeln durchlöchern zu lassen.“
„Warum setzen Sie sich nicht und sehen, was passiert?“ Sie schlug einen entzückend drohenden Tonfall an. Er konnte nicht widerstehen, nur um zu sehen, wie weit er sein Spiel treiben konnte.
„Vielen Dank.“ Er breitete seine Rockschöße aus und nahm am Fußende der Chaiselongue Platz.
Elinor zog hastig die Beine an und festigte den Griff um die Pistole. „Sie lieben es, Ihr Schicksal herauszufordern, nicht wahr?“
„Sehen Sie sich denn als mein Schicksal, Teuerste? Dieses unangenehme Gefühl beschleicht mich immer wieder, seit Sie zum ersten Mal in Ihrem zerlumpten Umhang in meinem Château auftauchten. Die meisten Männer würden die Flucht vor Ihnen ergreifen, aber ich muss gestehen, einen geradezu ungezügelten Appetit auf Gefahr zu verspüren. Wollen Sie wirklich auf mich schießen?“
„Schon möglich.“
Er lächelte unschuldig. „Und warum? Nur weil ich Ihnen lästig bin? Das halte ich für übertrieben. Oder befürchten Sie, ich tue Ihnen Gewalt an?“
Er spürte, wie sie zusammenzuckte, und war froh, dass ihr
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