040 - Paris, Stadt der Sünde
tatsächlich kostbare Zeit mit solchen Kindereien vergeuden?“, fragte Reading gelassen. „Starr mich nicht so finster an. Ich kenne dich zu lange, um mich vom Fürsten der Finsternis einschüchtern zu lassen. Auf diesen Titel wirst du ohnehin verzichten müssen, wenn du aus dem Satansbund ausgeschlossen wirst.“
„Gott bewahre mich vor diesem blödsinnigen Treiben“, seufzte Rohan angewidert.
„Ich fasse es nicht. Plötzlich hast du ein Herz und jetzt auch noch einen Gott? Es geschehen noch Zeichen und Wunder.“ Charles durchquerte den Raum, um die Verandatüren zu schließen, durch die der Wind Schneeflocken hereinwehte. „Eins ist jedenfalls klar. Ich lasse nicht zu, dass du auch nur einen Fuß auf englischen Boden setzt. Normalerweise würdest du keinen Gedanken daran verschwenden, aber offenbar hast du den Verstand verloren, und es sähe dir ähnlich ...“
Ein dumpfer Schlag gegen seinen Hinterkopf unterbrach jäh seine Strafpredigt, er stürzte vornüber zu Boden, und dann wurde ihm schwarz vor Augen.
Rohan verschwendete keinen Gedanken daran, sich zu fragen, was ihn antrieb, was er riskierte. Dazu blieb keine Zeit. Er hatte keine Ahnung, wann Marcus Harriman mit seiner Halbschwester die Flucht ergriffen hatte. Aber auch ein geringer Vorsprung wäre zu groß. Und er hatte seit drei Tagen nichts anderes getan, als sich zu betrinken. Während er sich in Selbstmitleid suhlte, hatte dieser Hochstapler Elinor entführt.
Er legte seinem alten Freund Fesseln an und stellte mit sarkastischer Bitterkeit fest, dass er mehr Übung darin hatte, ein williges Opfer bei gewissen Varianten erotischer Spiele zu fesseln. Charles würde ihn umbringen wollen, wenn er wieder zu sich kam, aber Rohan musste sich einen Vorsprung verschaffen, da sein Freund niemals zulassen würde, dass er sein Leben mit einer Rückkehr nach England aufs Spiel setzte.
Es war höchste Eile geboten. Zunächst galt es, sich mit einer größeren Summe Bargeld von seiner Bank zu versorgen. Er schickte Willis nach Calais voraus mit dem Auftrag, ein Schiff anzuheuern, das mit der ersten Flut am nächsten Morgen auslaufen sollte. Seinen Kammerdiener wies er an, das Nötigste in zwei Satteltaschen zu packen. Und eine knappe Stunde später verließ er das Haus, schwang sich auf sein Pferd und jagte im gestreckten Galopp zur Küste, als wäre der Teufel hinter ihm her.
Er machte nur Rast, um die Pferde zu wechseln. Etwa zehn Meilen vor der Küste wechselte er zum letzten Mal an einer kleinen Poststation das Pferd, wo ihn ein Mann ansprach.
Es handelte sich um den ehemaligen Kutscher der Harrimans, dessen Namen ihm entfallen war, der Rohan erkannte.
„Verzeihung, Mylord“, grüßte der Alte ehrerbietig. „Miss Elinor und Miss Lydia sind immer noch in Ihrem Haus, nicht wahr? Geht es ihnen gut?“
Rohan beäugte ihn argwöhnisch. Jacobs hieß er. Aber er fragte sich, in wessen Diensten er nun stand. Diente er dem neuen Erben? „Warum fragen Sie?“, wollte er barsch wissen. „Sollten Sie nicht in Dorset sein und sich um das Begräbnis von Lady Caroline und der alten Kinderfrau kümmern?“
„Ich wollte nicht so lange warten, Mylord, und bin so schnell wie möglich zurückgekehrt. Auf dem Landgut der Harrimans braut sich Unheil zusammen. Dem Mann, der behauptet, Miss Elinors Cousin zu sein, ist nicht zu trauen. Kein Mensch hat je von ihm gehört. Er hat die gesamte Dienerschaft fortgeschickt, und als ich versuchte, etwas herauszufinden, wollte niemand mit mir reden. Die neuen Dienstboten haben alle Angst vor ihrem Herrn, obwohl er sich Hunderte Meilen entfernt in Frankreich aufhält.“
„Was Sie nicht sagen“, meinte Rohan mit verschlossener Miene. „Und was könnte ich daran ändern?“
„Sorgen Sie dafür, dass er sich von meiner jungen Herrin fernhält“, erklärte der alte Mann mit großem Ernst. „Ich traue ihm nicht. Es gibt merkwürdige Gerüchte – Leute sind plötzlich verschwunden. Ich fürchte, sie ist in Gefahr. Ich habe Nanny Maude versprochen, auf sie aufzupassen.“
Rohan musterte ihn lange eindringlich. „Ich fürchte, wir haben beide versagt“, erklärte er nach einer Weile. „Er hat Miss Harriman bereits entführt.“
„Um Gottes willen, Mylord!“, jammerte Jacobs. „Er darf nicht ... ich ...“
„Ich bin hinter den beiden her und hoffe, es ist noch nicht zu spät. In Calais wartet ein Schiff auf mich. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie mich begleiten wollen?“
„Ja, Mylord“, erklärte der Alte
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