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040 - Paris, Stadt der Sünde

Titel: 040 - Paris, Stadt der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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hatte, förmlich in die Arme, eine Hand vor dem Mund, die andere an ihren Magen gepresst, und stöhnte erbärmlich. Als sie festen Boden unter den Füßen verspürte, sackte sie in die Knie, lehnte sich an den Kutscher und gab Würgegeräusche von sich, worauf der Mann instinktiv zurückwich.
    Mehr brauchte sie nicht. Sie sprang auf und war in Sekundenschnelle im Gedränge der Nachtschwärmer dieser zwielichtigen Gegend untergetaucht, die dank der herabrieselnden Schneeflocken beinahe malerisch wirkte.
    Mit ihren neuen Stiefeln, für die sie Mrs Clarke zutiefst dankte, kam sie schnell voran und stürmte durch das Gewirr dunkler Gassen um die verrufene Rue du Pélican. Sie kannte sich in dieser Gegend gut aus und würde einen möglichen Verfolger mühelos abschütteln.
    Nein, Monsieur le Comte blieb nichts anderes übrig, als in seine Lasterhöhle zurückzukehren, und Lydia war in Sicherheit.

    Außer Atem verlangsamte Elinor ihre Schritte und zog den Schal enger um ihre Schultern. Der Comte würde sie gewiss nicht zu Fuß verfolgen, die große Karosse war zu breit für die enge Gasse, und außerdem war die Hausnummer nachts kaum zu finden. Sein Kutscher, der ihre Mutter und Jacobs in ihrem Haus abgeliefert hatte, kannte die Adresse zwar, aber sobald Francis Rohan in seinem Schloss angekommen wäre, hätte er die zerlumpte junge Frau und ihr Geheimnis längst vergessen.
    Die Kälte war ihr bis in die Knochen gekrochen, als sie sich mühsam die morschen Holzstufen zur Haustür hinaufschleppte. Der Pelzmantel war herrlich warm gewesen, und Lydia hätte darin wunderschön ausgesehen. Aber ihre Sicherheit war ein größerer Schatz.
    Sie stieß die Tür auf und erstarrte vor Schreck. Todesangst krallte sich um ihr Herz, Lord Rohan könne es irgendwie geschafft haben, sich allen Gesetzen der Natur zu widersetzen, und vor ihr angekommen sein. Ein hochgewachsener Mann stand über ihre Schwester gebeugt, und selbst im dämmrigen Kerzenschein konnte sie Lydias glückliches Lächeln erkennen. Ein Stöhnen entrang sich ihr, diesmal ehrlich und aus tiefstem Herzen.
    Der Mann drehte sich um. Nein, nicht Rohan. Natürlich nicht. Es war der Mann mit der Narbe aus dem Château, an dessen Arm eine halbnackte Halbweltdame gehangen hatte. Ein Mann, der mit ihrer Schwester redete, sie ansah. Ein Mann, der ebenso schlecht und verworfen war wie dieser Viscount Rohan.
    Lydia sprang auf, ihr Lächeln strahlte noch heller. „Nell, dem Himmel sei Dank! Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht!“, rief sie. „Mr Reading versicherte mir zwar, es bestehe kein Grund zur Besorgnis, aber du warst die ganze Nacht fort. Und seit du damals überstürzt nach Italien abgereist bist, habe ich ...“
    „Mir geht es gut, Liebes“, schnitt Elinor den Redefluss schroff ab. Selbst wenn Lydia damals nicht fähig gewesen war, zwei und zwei zusammenzuzählen, würde ein abgebrühter Lebemann Schlüsse aus ihren Bemerkungen ziehen, und das durfte sie auf keinen Fall zulassen.
    „Das ist Mr Reading, Nell. Er war so gütig, Mami nach Hause zu begleiten.“
    Lydia war die Einzige, die Lady Caroline zärtlich Mami nannte. Falls ihre Mutter Interesse für Belange aufbrachte, die nichts mit ihrer Selbstsucht zu tun hatten, galt es ihrer hübschen jüngeren Tochter. Elinor schlug im Aussehen zu deutlich nach der väterlichen Linie, und sie hatte überdies die lästige Angewohnheit, ihre Meinung zu äußern, obwohl sie nicht danach gefragt wurde, wie Lady Caroline sich auszudrücken pflegte. Ihre ältere Tochter hatte sich nie Mühe gegeben, etwas zu beschönigen, was sie ihr nie verzeihen konnte.
    „Sehr freundlich, vielen Dank“, murmelte Elinor. „Nun kommen wir gut allein zurecht.“ Sie scheute sich zwar, dem Fremden unhöflich die Tür zu weisen, gab ihm aber deutlich zu verstehen, dass seine Anwesenheit nicht länger erwünscht war.
    Die hässliche Narbe verzerrte sein Lächeln in seinem ansonsten schönen Gesicht.
    „Rohan hätte nichts anderes von mir erwartet. Ihre Mutter scheint sich wieder beruhigt zu haben. Aber ich bin mir nicht sicher, ob die Diener nicht noch bleiben sollten, auch wenn ich entlassen bin.“
    Es war eine Herausforderung, die Elinor elegant parierte. „Es hat zu schneien begonnen, und Sie haben einen weiten Weg vor sich. Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, wenn Sie in einer Schneewehe stecken bleiben.“
    „Nur falls Sie mich hineinwerfen, Miss Harriman, was Sie gerne tun würden, wenn ich Ihren Blick richtig deute.“

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