040 - Paris, Stadt der Sünde
sich mit der Spanischen Krankheit anzustecken. Sein Vater ist daran gestorben, deshalb ist er ausgesprochen wählerisch in der Wahl seiner Gefährtinnen.“ Sie nestelte nervös an den Rüschen ihres neuen Kleides.
Elinor wollte nichts über Sir Christophers Neigungen wissen, schon gar nicht, wenn es sich um Intimitäten handelte. „Ich verstehe immer noch nicht, Mama.“
Lady Caroline seufzte ungeduldig. „Er lässt sich nur mit Jungfrauen ein, weil er der Meinung ist, nur dann sicher zu sein, dass sie sauber sind.“
Elinor lachte. „Hoffentlich gibt es genügend davon.“
Lady Caroline bekam schmale Augen. „Er ist auch bereit, sehr junge Mädchen zu nehmen. Und wenn ihm eine gefällt, behält er sie eine Weile, um seine männliche Energie an ihr zu stillen.“
Es hatte einen Moment gedauert, bis Elinors Verdacht Form annahm, zu grässlich, um wahr sein zu können. „Und was hat das mit mir zu tun, Mama?“, fragte sie zaghaft.
„Ihm ist zu Ohren gekommen, dass ich zwei Töchter habe. Er will eine von euch, und ich habe ihm meine Zusage gegeben. Er erlässt mir meine Schulden, und darüber hinaus bezahlt er uns tausend Pfund, vielleicht sogar mehr. Er möchte eigentlich Lydia, aber diese Forderung habe ich strikt abgelehnt, und er ist bereit, dich an ihrer Stelle zu nehmen.“ Als sie ihre Worte herausgesprudelt hatte, hielt sie inne und holte tief Atem.
In Elinor war eisige Kälte hochgekrochen, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.
Sie starrte ihre Mutter fassungslos an, die Mutter, die sie für tausend Pfund und zur Tilgung ihrer Spielschulden verschachert hatte. „Du willst, dass ich das Bett mit ihm teile?“
„Schau mich nicht so entsetzt an. Schließlich hast du kaum Chancen, einmal zu heiraten. Also brauchen wir uns um deine Jungfräulichkeit keine Gedanken zu machen. Und solltest du wider Erwarten einen Mann finden, der großen Wert auf eine unberührte Ehefrau legt, gibt es immer noch Mittel und Wege ... Jedenfalls bietet sich uns diese einmalige Gelegenheit, unsere Schulden loszuwerden und ein kleines finanzielles Polster zu haben, und wir müssen dankbar sein ...“
„Wir, Mama?“, hatte sie wiederholt. „Nein, das mache ich nicht.“
Ihre Mutter sah sie hasserfüllt an. „Ich hätte wissen müssen, dass du ein undankbares und eigensüchtiges Geschöpf bist. Dann muss es eben Lydia sein.“
„Sie ist erst elf!“
„Ich sagte dir doch, Sir Christopher hat ... seltsame Neigungen. Lydia wäre ihm viel lieber, aber ich hatte gehofft, ihr das in ihrem zarten Alter ersparen zu können. Für sie würde er sein Angebot sogar verdoppeln, und wenn du dich weigerst, muss eben sie in den sauren Apfel beißen.“ Ihre Mutter blieb hart und unnachgiebig. Sie kannte Elinors einzig mögliche Antwort.
„Du verkaufst deine Tochter als Hure, um deine Spielschulden zu bezahlen?“ Elinor formulierte ihre Fragen mit kaltem Vorwurf. „Und wenn ich mich diesem ekelerregenden alten Mann nicht hingebe, lässt du zu, dass er Lydia lüstern begrapscht? Habe ich dich richtig verstanden?“
Ihre Mutter zuckte nicht einmal mit der Wimper. „Ja, du hast richtig verstanden, Elinor. Du hast die Chance, deine Familie vor Not und Elend zu bewahren, deine kleine Schwester zu beschützen und deiner Mutter in einer ausweglosen Situation zu helfen. Du kannst ablehnen und dich als verabscheuenswerte Egoistin erweisen oder deine Pflicht deiner Familie gegenüber tun. Du hast die Wahl.“
In jener Nacht hatte sie hellwach neben Lydia im Bett gelegen und dem erbitterten Streit zwischen ihrer Mutter und Nanny Maude gelauscht, aber am Ende hatte Nanny resigniert. Das rosafarbene Kleid wurde den Nachbarn zurückgegeben und durch ein anderes ersetzt, von Lady Carolines Schneiderin in Windeseile genäht. Ihr Haar wurde mit der Brennschere gelockt und aufgesteckt. Dazu kam ein durchsichtiges Nachthemd, bei dessen Anblick sie eigentlich hätte erröten müssen.
Aber Schamgefühle waren ihr irgendwie abhandengekommen. Am nächsten Abend fuhr eine Kutsche vor, um sie abzuholen, und die Frau, die sie begleitete, sprach nicht mit ihr, musterte Elinor nur in gehässiger Verachtung, wie sie es nicht anders verdiente.
Sir Christophers Haus war hell erleuchtet und voller Stimmengewirr und Lachen, dem Elinor beim Eintreten nachgehen wollte. Aber sie wurde von der Frau mit einem groben Griff am Arm zurückgehalten. „Sie sind bei den Gästen nicht willkommen“, sagte sie unfreundlich auf Französisch. „Sie warten
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