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0400 - Jenseits-Melodie

0400 - Jenseits-Melodie

Titel: 0400 - Jenseits-Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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eigentlich erwartet hatte. In einem geheimnisvollen Flüsterton wurde sie mir gegeben. »Es ist Manfredo Cardinal, der wahre Komponist und Meister, der hingerichtet, aber nicht endgültig getötet werden konnte, denn er lebte weiter, und niemand konnte es glauben oder fassen. Weißt du nun Bescheid?«
    »Du hast laut genug gesprochen. Aber wer war Cardinal genau?«
    »Ein großer Künstler und Star«, raunte Judith mir entgegen.
    »Heute hätte man ihn in aller Welt gefeiert, aber damals mochte die verdammte Kaiserin seine Musik nicht. Sie erteilte ihm sogar Spielverbot, doch er, der Genius, hielt sich nicht daran. Er konnte sich nicht daran halten, und so spielte er weiter im Schatten der Kaiserin. Er besetzte Schloß Schönbrunn, dort stand sein Flügel, und dort spielte er auch.« Plötzlich nahm ihre Stimme einen drohenden Unterton an. »Bis zu der Minute, als ihm die Kaiserin den Henker schickte. Und er tötete Manfredo Cardinal.«
    »Wie?« fragte ich.
    »Der Henker schlug ihm den Kopf und die rechte Hand ab. Diese beiden Teile wollte er der Kaiserin bringen, damit sie sich von seiner Arbeit überzeugen konnte. Zuvor jedoch verbrannte man den Körper, und als der Henker wieder zurückkehrte, hörte er das Spiel. Er ging in den Raum und sah, daß Hand und Kopf eine Einheit bildeten. Er hat das gleiche Bild gesehen wie du, Fremder. Das gleiche Bild…«
    Ich sah keinen Grund, den Aussagen dieser Person nicht zu glauben, denn ich selbst hatte schon die unwahrscheinlichsten Dinge erlebt. Oft waren auch alte Rachen oder Flüche darunter, wie in diesem Fall. Doch welche Rolle spielte Aibon?
    Judith mußte darüber Bescheid wissen. Möglicherweise gehörte sie zu den wenigen auserwählten Menschen, denen es gelungen war, einen Blick nach »drüben« zu werfen.
    Aber zuvor wollte ich wissen, was mit meinem Freund und Kollegen Suko geschehen war. »Ich bin nicht allein gekommen«, erklärte ich ihr. »Wir waren zu dritt. Einer von uns ist tot, der andere, ein Chinese…«
    Ihr Lachen unterbrach mich. »Befindet sich hier im Raum. Du findest ihn nur nicht.«
    Ich schaute mich trotzdem um. Als ich nach links sah, stand dort nur das Klavier, auf dem Hand und Kopf über die Tasten glitten und mit dem Finale begannen. Die Pflanzen wuchsen so dicht wie eine Wand. Darin konnte sich jemand prima verstecken. Deshalb sah ich auch von Suko nichts.
    »Ich habe ihn außer Gefecht gesetzt«, erklärte mir Judith. »Er war ebenfalls ein Eindringling und leider zu neugierig.«
    »Ist er tot?«
    »Das habe ich den Pflanzen überlassen. Sie werden auch dich vernichten. Sie sind etwas Besonderes, denn sie verschlingen Menschen. Sie stammen nicht von dieser Welt, aber sie müssen kultiviert werden, und Menschenfleisch ist für sie eine Delikatesse.«
    »Hören Sie auf!« fuhr ich sie an.
    »Schwache Nerven?« fragte sie höhnisch flüsternd.
    »Nein, aber irgendwo ist eine Grenze. Wie haben Sie es geschafft, die Grenze nach Aibon zu überwinden?«
    Zum erstenmal, seit wir uns gegenüberstanden, sah ich so etwas wie einen überraschten Ausdruck auf ihrem Gesicht. Sie zog die Brauen zusammen, die Stirn bekam Falten, und ihre leise gesprochene Frage konnte ich kaum verstehen.
    »Wie kommst du auf Aibon?«
    Bevor ich eine Antwort geben konnte, verstummte das Spiel. Ich warf einen raschen Blick nach links. Manfredo Cardinal oder das, was von ihm nach der Bluttat noch übriggeblieben war, starrte mir entgegen. Augen in einem violett schimmernden Gesicht, ein offenstehender Mund, der wie der Eingang zu einer Höhle wirkte, und die glatte Haut, in und auf der ich keine einzige Falte sah.
    »Ich kenne das Land der Druiden.«
    »Duuuu?« Sie dehnte das eine Wort.
    »Ja, ich habe es bereits betreten und…«
    »Nein!« fuhr sie mich an, hob eine Hand und spreizte die Finger.
    »Ich kann dir nicht glauben. Du bluffst. Es ist für einen Menschen nicht möglich, dort hineinzugelangen. Wenn er es trotzdem schafft, kommt er nicht mehr zurück, denn Aibon will nicht, daß jemand über das Land der Druiden berichtet. Es ist einfach anders, begreifst du es?«
    »Schon, aber ich war tatsächlich in Aibon und habe auch diese Melodie, um die sich alles dreht, gehört. Als ich sie vernahm, kam die Erinnerung zurück. Deshalb frage ich dich, Judith: Was haben Aibon und Manfredo Cardinal miteinander zu tun? Weißt du es?«
    »Ja.«
    »Sag es mir!«
    Sie zögerte noch. Wahrscheinlich glaubte sie mir nicht so recht, daß ich das grüne Land der Druiden tatsächlich

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