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0400 - Jenseits-Melodie

0400 - Jenseits-Melodie

Titel: 0400 - Jenseits-Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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den Raum hinein, atmete wieder die klare Luft ein und hatte das Gefühl, nach jedem Atemzug das Spiel deutlicher zu hören.
    Es kam von rechts…
    Die alte Melodie aus Aibon. Ryans Auftrittslied, das nun in diese Welt transportiert worden war und soviel Unheil angerichtet hatte.
    Diese Melodie hatte eine blutige Spur hinter sich gelassen, und ein Ende war nicht abzusehen.
    Der Wintergarten war rechteckig angelegt, dennoch gab es zahlreiche Nischen und Winkel, gebildet durch den dichten Pflanzenwald, der an manchen Stellen wie eine zweite Decke wirkte.
    Da hingen Zweige nach unten, die nach jedem zu greifen schienen, der unter ihnen herging.
    Das Klavierspiel erklang aus der rechten Hälfte des dichten Dschungels. Man konnte annehmen, daß die Pflanzen selbst die Klänge entließen, denn von dem Pianisten sah ich nichts. Nach rechts war auch Suko verschwunden. Ich folgte ihm. Jede Bewegung wurde für mich eine Tortur. Hin und wieder spürte ich eine weiche Liane unter meinen Füßen. Dann hatte ich immer das Gefühl, in Gelee zu treten und ausrutschen zu müssen.
    Die Melodie hüllte mich ein. Sie war perfekt gespielt, und es mußte ein wahrer Künstler sein, der sich an das Klavier gesetzt hatte. Mit jedem Schritt vernahm ich die Musik intensiver.
    Dann endlich sah ich zwischen dem Grün etwas braun schimmern.
    Ein Klavier…
    Ich ging schneller, schob noch ein paar Pflanzen zur Seite und sah den Spieler.
    Es war genau das Horror-Gebilde, das ich schon kannte, nur diesmal ohne Schwert…
    ***
    Der Anblick war einfach unglaublich. Kopf und Hand bildeten eine Einheit. Ich konnte direkt auf die Klaviatur schauen und beobachtete, wie profihaft das Gebilde diese alte Aibon-Melodie spielte.
    Ein grausames Wunder. So genau kam es mir vor. Noch schaute ich auf den Hinterkopf, dann aber drehte sich das Gebilde plötzlich um, so daß ich ihm direkt ins Gesicht blicken konnte.
    Ich hatte damit gerechnet, Hanco anzuschauen, aber dieses Gesicht war mir unbekannt.
    Während das Gebilde weiterspielte, bewegten sich rechts des Klaviers einige Zweige.
    Es kam mir vor, als würde dort ein grüner Vorhang geteilt, damit ein Akteur die Bühne betreten konnte.
    So ähnlich war es auch.
    Eine Gestalt schob sich hervor, eine Frau.
    Judith!
    ***
    Sie kam, schwieg und starrte mich nur an. Ich dachte, während ich ihrem Blick nicht auswich, kurz an Suko, aber meine Gedanken beschäftigten sich bald nur noch mit ihr. Instinktiv jedoch wußte ich, daß es genau diese Person war, die das Rätsel um die geheimnisvolle Aibon-Melodie lösen konnte, weil sie mit ihr in einem unmittelbaren Zusammenhang stand.
    Sie war ein Mensch, aber sie kam mir vor wie eine Gestalt, die in dieser ungewöhnlichen Pflanzenwelt geboren war und sich auch darin wohlfühlte. Wenn ich in ihr Gesicht schaute, so konnte ich es als alterslos bezeichnen. Bei manchen Menschen hat man das Gefühl, daß sie noch immer so aussehen wie vor zehn Jahren. Judiths Haar zeigte die Farbe grauer Vampirasche. Es umrahmte das Gesicht, dessen Haut mir unnatürlich hell oder blaß vorkam. Die Augen lagen tiefer in den Höhlen. Sie wirkten wie zwei geheimnisvolle dunkle Punkte. Die Frau trug ein bis zum Boden reichendes Kleid. Es war quergestreift in den Farben grün und violett, wirkte um zwei Nummern zu groß und besaß sehr weite Ärmel. Judith war eine geheimnisvolle Person, die bisher noch kein Wort mit mir gesprochen hatte.
    Deshalb fragte ich sie: »Bist du Judith?«
    »Ja.«
    Ich mußte ziemlich laut reden, da das Gebilde noch immer spielte.
    »Dann gehört das hier dir?«
    »Es stimmt.«
    »Und du zeigst dich auch für den Mord an einem meiner Begleiter verantwortlich?«
    Ihre Lippen zuckten. Halb bedeckt von grauen Haarsträhnen, trug sie am rechten Ohr eines dieser modernen Kunststoffschmuckstücke. »Ich habe ihn nicht getötet«, erklärte sie. »Es waren die Herren dieses Hauses. Ich werde nur geduldet.«
    »Du hast sie aber nicht gehindert?«
    »Nein, denn sie haben sich strafbar gemacht. Alle machen sich strafbar, die hier eindringen. Ich will es nicht. Ich habe einmal jemand gewarnt. Er aber wies mich ab, das habe ich nicht vergessen. Ich wollte nicht, daß er die Melodie spielte, ich wollte seine Geliebte werden. Er entschied sich anders. Nun ist er für immer bei mir.«
    »Sprichst du von Hanco?«
    »Ja, von ihm rede ich.«
    »Dann ist er auch hier?«
    Judith deutete ein Nicken an.
    »Und wer spielt?«
    Da begannen ihre Augen zu glänzen, und ich bekam eine Antwort, die ich

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