0401 - Dem Henker ins Handwerk gepfuscht
schmale Kabine. Ich öffnete die Augen, konnte aber nichts erkennen. Jemand huschte durch die Kabine.
Eine Hand tastete an meinem Körper entlang.
»Agent Cotton?«, flüsterte eine Stimme. Es war Ronda, die Chinesin.
»Ich bin es«, gab ich leise Antwort.
»Ich werde Ihre Fesseln lösen«, raunte Ronda. Ihre Hände tasteten an der Bahre herum. Schnallen wurden aufgezogen. Die Riemen lösten sich von den Gliedern.
»Es ist ein günstiger Augenblick«, sagte die Chinesin. »Sie sind alle an Deck oder auf der Kommandobrücke. Das Schiff legt ab.«
Ich richtete mich auf.
Schemenhaft konnte ich neben mir die Chinesin erkennen, die an Phils Bahre herumlief. Ich zog den kleinen Revolver aus dem Strumpf. Phil richtete sich auf.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich meinen Freund.
»Ja«, erwiderte Phil.
Ronda kam zu mir herüber, als ich die Beine von der Bahre schwang. »Ich habe Agent Decker auch mit einem Revolver versehen«, sagte sie. »Agent Cotton, wenn Sie das Schiff verlassen, nehmen Sie mich mit«, bat sie.
»Wir haben viel an Ihnen gutzumachen, Ronda. Sie kommen mit uns.«
»Ronda! Ronda!«, erschallte Tomaten-Jos Stimme auf dem Gang.
Die Chinesin umklammerte meinen Arm. »Helfen Sie mir, Agent Cotton«, flüsterte sie.
***
»Komm herüber«, rief ich meinem Freund zu. Phil gehorchte. »Gehen Sie an die Tür«, sagte ich im gleichen Augenblick zu Ronda, »melden Sie sich. Betreten Sie aber nicht den Gang. Wir müssen Jo in die Kabine locken.«
Die Chinesin drückte die Tür auf. »Was ist los?«, rief sie hinaus. Sie verhielt sich so, wie ich ihr gesagt hatte.
»Baron Samedi sucht dich«, sagte Tomaten-Jo. »Was hast du denn bei den beiden Schnüfflern zu suchen, Ronda?«
Phil und ich lehnten an der Schiffswand. Vor uns befand sich die offen stehende Tür. Am Fußende der Bahren stand Ronda.
Ein Schatten trat ein. Sofort darauf ging das Licht an. Die Geschehnisse rollten in Sekundenschnelle ab.
Tomaten-Jo blickte auf die Bahren. »Wo sind die beiden?«, brüllte er. Sein Gesicht verfärbte sich purpurrot. »Du hast sie befreit!«
Ich stieß Phil an.
Zur gleichen Zeit sprangen wir nach vorn und stürzten uns auf den Gangster.
Ich hielt ihm die Arme fest. Er trat mit den Beinen um sich und schrie um Hilfe. Sein Schreien verröchelte, da Phils Faust genau auf der Kinnspitze des Gangsters landete. Tomaten-Jo sackte zusammen.
»Fass an«, rief ich Phil zu. Wir hoben ihn hoch, warfen ihn auf die Bahre und schnallten ihn fest. Dabei vergaßen wir nicht, ihm einen Knebel in den Mund zu schieben, damit er nicht durch sein Schreien die Besatzung alarmierte, wenn er wieder zu sich kam. Dann hielten wir kurzen Kriegsrat.
»Wir können die Bande im Augenblick nicht angreifen«, sagte ich. »Wir müssen vom Schiff herunter und vom Land Verstärkung holen. Wie schaffen wir das am besten, Ronda?«
»An der Steuerbordseite befindet sich ein Fallreep, Agent Cotton, das noch nicht hochgezogen ist«, antwortete sie. »Ich weiß nicht, ob wir es schaffen, schwimmend an Land zu gelangen. Ein Boot können wir unmöglich zu Wasser lassen.«
Ich überlegte kurz. »Wo befindet sich die Funkkabine, Ronda?«, fragte ich dann.
Sie erklärte es mir.
»Hör zu«, wandte ich mich an meinen Freund, »wir dringen in die Funkkabine ein und geben per Funk eine Meldung an Land durch.«
Phil nickte.
Ich zog die Tür auf und blickte auf den Gang. Niemand war zu sehen. Ich gab den beiden einen Wink. Wir huschten hinaus.
»Wir müssen uns beeilen«, raunte Phil, als wir auf die Treppe zugingen, »Tomaten-Jo sollte Ronda suchen. Sein Verschwinden wird bald auffallen.«
Ronda führte uns durch das Schiff. Unbehelligt gelangten wir an Deck und versteckten uns hinter einem Rettungsboot. Es war festgezurrt und mit einer Persenning bedeckt.
Keine zehn Yards von uns entfernt lag die schmale Tür, die in die Funkkabine führte.
»Alles klar?«, flüsterte ich meinem Freund zu.
»Ja, Jerry.«
»Ronda«, wandte ich mich an die Chinesin, »Sie bleiben so lange hier in dem Versteck, bis ich Ihnen von der Funkkabine aus zuwinke. Dann kommen Sie zu uns.«
Die Chinesin nickte.
Phil und ich sprangen hoch. Lautlos liefen wir über die Planken auf die Tür zu. In der rechten Hand hielt ich den kleinen Revolver. Mit der linken betätigte ich die Türklinke.
Wir zogen die Tür auf und sprangen in die Funkkabine hinein.
Der enge Raum wurde von einer Lampe beleuchtet, die mit einer Schere an der Wand befestigt war. Ihr Licht fiel
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