0401 - Die Druiden-Falle
und wogen die Chancen ab, eine »Räuberleiter« zu bilden und hinaufzuklettern. Oder durch das Innere des Hauses zu stürmen. Oder eine Leiter zu suchen und außen anzulegen.
Das Krieger-Kollektiv der Untoten brauchte sich nicht mit Worten miteinander zu verständigen, obgleich die Knöchernen so zu sprechen in der Lage waren, wie sie sehen, hören, denken und sich bewegen konnten. Sie entschieden gemeinsam, alle drei Möglichkeiten zu versuchen.
Sie erreichten das Wirtshaus.
Der Mann, der ihnen mit einer Axt in der Hand grimmig entgegentrat, störte sie nicht weiter. Wie sollte ein einzelner Mann sie aufhalten? Den überrannten sie doch einfach mit ihrer Vielzahl!
Axt und Schwert prallten aufeinander. Gegen die Übermacht derer, die nicht mehr getötet werden konnten und die auf Verletzungen keine Rücksicht zu nehmen brauchten, weil sie schon längst tot waren, hatte Boris Saranow keine Chance.
***
Wang Lee Chan war vorsichtig. Er wartete ab, was weiter geschah. Er starrte den kopflosen Torso des Fürsten der Finsternis an, sah den Schädel, der ein paar Meter entfernt lag… und er konnte nicht so recht glauben, daß er Leonardo deMontagne tatsächlich getötet haben sollte.
Einen Dämon tötet man nicht mit einem normalen Schwert.
Der Mongole sah sich um. Er rechnete mit einem Trick, mit einem hinterlistigen Angriff des Dämons.
Die Skelettkrieger zerbröselten zu Staub. Pflanzenarme hatten ihnen die Köpfe abgerissen. Diese Knochenmänner würden keine Gefahr mehr darstellen. Aber Wang wußte nur zu gut, daß Leonardo deMontagne jederzeit unbegrenzten Nachschub aus den Tiefen der Hölle holen konnte. Für jeden Skelettkrieger, der erlöst wurde von seinem untoten Dasein, konnte er zwei bis zehn neue herbeirufen, die aus dem Nichts erscheinen würden. Manchmal fragte Wang sich, ob der Vorrat sich nicht eines Tages erschöpfen mußte.
Wie das alles funktionierte, hatte wahrscheinlich nur Asmodis gewußt - wenn überhaupt.
Es gab vieles, was auch Wang nicht begriff, der lange Zeit in den Schwefelklüften hatte leben müssen.
Die Pflanzen bewegten sich nicht mehr.
Ein Zeichen, daß die unmittelbare Gefahr vorüber war?
Wang Lee Chan blieb mißtrauisch.
Vorsichtig ging er um den Baumstumpf herum und näherte sich dem Fürsten der Finsternis. Er berührte den Körper mit der Schwertspitze.
Nichts geschah.
Wang Lee stieß zu. Die Klinge durchbohrte den Torso. Der Mongole zog sie wieder heraus. Schwarzes Dämonenblut haftete an dem kalten Stahl.
Tief atmete Wang durch. Leonardo deMontagne tot… es schien so zu sein! Aber er traute dem Braten nicht.
DeMontagne hatte schon so manchen Gegner ausgetrickst. Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn es ihn diesmal erwischt hätte.
Lee betrachtete das Schwert. Es gab ja nur zwei Möglichkeiten. Entweder war deMontagne tatsächlich tot.
Dann war es Zeit, ein Fest zu feiern. Oder er war nicht tot - dann würde Wang ihn auch nicht töten können, wenn er noch einige Male zustieß.
Vielleicht wäre es ideal gewesen, wenn er den Dämon hätte verbrennen können. Aber er hatte nichts bei sich, womit er Feuer machen konnte. Zumindest nicht schnell. Sicher, er konnte Stein auf Stahl schlagen und damit Feuer erzeugen.
Aber darin war er nicht sehr geübt, und wenn Leonardo doch noch lebte, würde er diese Versuche mitbekommen und es sich nicht gefallen lassen, daß sein Körper in Brand gesetzt wurde.
Hinzu kam die Gefahr eines Waldbrandes durch Funkenflug.
Wang entschloß sich, sich um etwas anderes zu kümmern.
Um die Skelettkrieger!
Leonardo hatte sie hinter Su Ling und Saranow her geschickt, um sie einzufangen. Falls sein Tod sie nicht zerpulvern ließ, würden sie immer noch versuchen, ihren Auftrag durchzuführen. Wang mußte sie daran hindern.
Er wandte sich noch einmal um und sah hinter sich wieder die Mauern von Merlins Burg aufragen.
Er dachte an Sid Amos.
Sollte er dem Ex-Teufel Unrecht getan haben mit seinen Gedanken an Verrat? War das vielleicht alles nur ein Trickspiel gewesen, um die Knochenhorde so einfach wie möglich wieder loszuwerden? Wang war sicher, daß es Ärger gegeben hätte, wenn Amos verlangt hätte, daß Leonardo seinen Gefangenen wieder freigab. Es wäre zu Kämpfen in Caermardhin gekommen, die alles bisher Dagewesene überstiegen hätten.
Sicher - Amos hätte diese Kämpfe natürlich gewonnen. Aber er ging immer den Weg des geringsten Widerstandes. Diese Art der Befreiung war wesentlich ungefährlicher für Caermardhin und
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