0401 - Die Druiden-Falle
ganzes bisheriges Leben wie in einem Film rasend schnell an sich vorüberziehen zu sehen.
Jede Einzelheit erkannte sie wieder und konnte sie richtig einordnen. Glück, Lachen, Schmerz, Angst… Erinnerungen, die sie längst verschüttet geglaubt hatte… alles war da.
Und dann war sie unten.
Und der Strom der Erinnerungen riß abrupt ab.
***
Das sind Roboter! raunte etwas in Merlin. Künstliche Dinge, die nur wie lebende Menschen aussehen und sich so verhalten… fast so…!
Es überraschte ihn nicht, hier auf diese Maschinenmenschen zu treffen, die von Menschen und Druiden äußerlich nicht zu unterscheiden waren, weil sie in Sprache und Bewegung das Leben hervorragend kopierten und sogar ihre grünen Druiden-Augen zum Glühen bringen oder ins dunkle Schwarzbraun verfärben konnten. Schließlich waren die, die ihn zur Hinrichtung auf die Hochterrasse dieses Palasttempels gebracht hatten, auch Roboter gewesen, wie Gryf feststellte, und diese Künstlichen schien es in verblüffender Zahl zu geben. Dabei paßten sie absolut nicht zur Welt der Silbermond-Druiden, die doch in einer engen Verbindung mit der Natur, mit allem Natürlichen, lebten.
Aber es überraschte ihn, daß er mit einer solchen Sicherheit festgestellt hatte, es mit Robotern zu tun zu haben! Dabei wußte er nicht einmal, was ihm diese Sicherheit verlieh.
Eigentlich konnte er sie doch gar nicht unterscheiden!
Und jetzt kamen sie auf ihn zu, um ihn wieder gefangenzusetzen oder zu töten, wie Ivetac es befohlen hatte!
»Was soll das bedeuten?« schrie Merlin ihm zu. »Was wagst du, Frevler? Für wen hältst du dich?«
»Ich bin Ivetac, du Hochstapler. Wir werden euch schon in spätestens einer Stunde in eure Zeit zurücksenden, und dann…«
Er lachte spöttisch.
Merlin begriff.
Nicoles Verdacht stimmte. Ivetac wollte sie umbringen. So wie er lachte nur jemand, der sich im Mord-Triumph sonnt.
Ivetac stand unter dem Bann des MÄCHTIGEN, so unglaublich stark, daß selbst jetzt, nach vierundzwanzig Stunden, noch immer das Böse unverändert stark in ihm wohnte.
Oder war er selbst auch ein Roboter, der über eine spezielle Programmierung verfügte?
Merlin verzichtete darauf, es zu ergründen. Er wirbelte herum und begann zu laufen. Eine schmähliche Flucht, die gar nicht zu seinem vorherigen großspurigen Auftreten passen wollte.
Eine Flucht, die Merlin nicht ansteht! flüsterte die innere Stimme. Bleibe, stell dich zum Kampf und siege! Du kannst es!
»Aber wie?« keuchte er leise, während er rannte.
Hinter ihm waren die Roboter. Sie hatten es nicht eilig. Sie mußten genau wissen, daß Merlin ihnen nicht entkommen konnte.
Längst hatte er den Raum, in dem Ivetac die Zeremonie vorbereitete, wieder verlassen und bekam dessen neueste Anordnung schon gar nicht mehr mit: »Bringt die anderen Fremden hierher. Gefesselt oder betäubt! Sie dürfen keine Chance bekommen! Laßt nach Zamorra und Llandrysgryf suchen! Auch sie bringt gefesselt oder betäubt hierher! Die Zeit drängt, ich will es vollenden!«
Eine fremde Stimme hatte aus ihm gesprochen. Eine Stimme, die sich seines Tonfalls bediente, die ihm aber nicht gehörte.
Aber niemand kümmerte sich darum. Der Böse war besiegt worden, war geflohen. Es gab auf dem Silbermond nichts Böses mehr.
So glaubten sie alle. Vielleicht gab es einige unter ihnen, die vorsichtiger waren und noch zweifelten, aber sie alle waren doch zu sehr in der Dekadenz und Lethargie gefangen, die sich schon seit langem in ihnen ausbreitete.
Seit der MÄCHTIGE einst auf dem Silbermond erschienen war…
Und weil der Böse in die Flucht geschlagen worden war, machte niemand sich wirklich Gedanken darum, ob Ivetacs Entscheidungen gut oder böse waren. Niemand fragte sich, welche Ziele dieser Druide verfolgte.
Sie jagten Merlin…
***
Der MÄCHTIGE stellte fest, daß alles nach Plan verlief. Die diversen Möglichkeiten seiner Fallen funktionierten. Er beobachtete auf seine Weise alles, gut getarnt, und wußte, daß Zamorra und seine Begleiter so gut wie keine Chance mehr hatten. Es mußte schon ein Wunder geschehen.
Aber dagegen stand seine Stärke und Macht.
Und das Wichtigste war: Selbst Zamorra hatte angebissen! Er war in die Falle getappt, die jeden Moment zuschlagen mußte.
Er ahnte nicht einmal, wie nahe der MÄCHTIGE ihm bereits war…
***
Wang Lee Chan war zuletzt immer schneller geworden, und in einem Wolfstrab, den er stundenlang durchhalten konnte, erreichte er den Ortsrand.
Längst war es dunkel
Weitere Kostenlose Bücher