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0403 - Das Auge des Jägers

0403 - Das Auge des Jägers

Titel: 0403 - Das Auge des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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würde nicht die Meeghs angreifen, sondern uns. Uns, Alter. Man würde uns zwingen, den Willen der Gegner zu erfüllen, damit der geheiligte Platz wieder frei wird. Die Druiden kämpfen nicht um ihren Friedhof. Er ist eigentlich der Punkt, an dem man uns richtig zu fassen kriegt. Und genau das haben diese verfluchten Schatten mit ihren Robotern getan.«
    »Unvorstellbar«, sagte Nicole. »Das passt doch nicht zusammen…«
    »Wir Druiden denken in manchen Dingen eben anders«, sagte Gryf. »Vor allem, wenn es um die wenigen Tabus geht, die wir haben. Wenn wir versuchen, die Gedanken anderer zu lesen oder in deren Privatsphäre einzudringen, dann bringt das eine Menge echten Ärger. Aber wenn jemand zuläßt, daß ein Heiliger Platz entweiht wird, dann steht darauf der Tod.«
    »Die Heiligen Haine auf der Erde«, warf Nicole ein.
    Gryf schüttelte den Kopf. »Schlimmer. Viel schlimmer. Jene Druiden, die auf der Erde zu Zeiten des römischen Reiches lebten, von Caesar beschrieben wurden als menschenopfernde Ritualmörder, das waren nicht wir Silbermond-Druiden. Du kannst sie nicht mit uns vergleichen, darauf möchte ich schon mal hinweisen. Sie haben einen Teil unserer Kultur und unserer Magie übernommen, sie haben einen großen Teil unserer Philosophie übernommen und sogar entschieden weiterentwickelt, verbessert, wenn man das überhaupt so nennen kann. Aber sie sind nicht wir. Einen Heiligen Hain der keltischen Druiden zu entweihen, ist bei weitem nicht so schlimm wie das, was hier geschehen ist. Man wird uns die Schuld geben – nur durch unser Hiersein war dieser Frevel überhaupt möglich. Somit müssen wir mit unserem Leben dafür bezahlen. Wir müssen die Gefangenen auslösen und zugleich dafür sorgen, daß die Frevler den Druidenfriedhof wieder verlassen. Man wird uns dazu zwingen. Hilfe? Nein, die haben wir in diesem Fall nicht zu erwarten. Wir werden den ganzen Silbermond gegen uns haben.«
    »Nette Aussichten«, sagte Zamorra sarkastisch. »Genau das ist es, was ich mir schon als kleines Kind immer gewünscht habe.«
    »Nimm es nicht auf die leichte Schulter, Alter«, warnte Gryf. »Es ist tödlicher Ernst. Es geht uns an den Kragen, sobald auch nur einer außer uns vieren etwas davon erfährt.«
    Zamorra presste die Lippen zusammen.
    »Das heißt, wir müssen also in den sauren Apfel beißen, hingehen und die beiden Druiden freikämpfen. Allein, ohne Unterstützung.«
    Gryf verzog das Gesicht. Er senkte den Kopf.
    »Was ist los?« fragte Zamorra ahnungsvoll.
    »Ich kann es nicht«, sagte Gryf leise. »Verdammt, Alter, ich kann es nicht. Es geht nicht. Der Friedhof der Druiden ist heilig. Er ist ein Tabu. Ich kann dort nicht kämpfen. Keiner von uns kann es. Nur mit reinen Gedanken darf man ihn betreten. Wenn ich daran denke, daß ich eine gewaltsame Auseinandersetzung haben müsste, dort, im Toten Wasser… nein.«
    Sein Kopf ruckte hoch. Er sah Zamorra aus flammenden Augen an. »Und wenn du mich dafür haßt und mich totschlägst – ich kann es nicht!« Er hatte Mühe, nicht zu schreien.
    Zamorra nickte langsam. Er verstand. Niemand konnte über seinen Schatten springen. Das Tabu saß zu tief verankert. Zamorra hatte immer geahnt, daß da noch etwas in Gryf war. Daß er nicht nur der leichtlebige achttausendjährige Junge war, der alles mit einem lockeren Spruch nahm, durchs Leben trampte und versuchte, aus allem das Beste für sich zu machen. Auch in Gryf steckten uralte Traditionen und Werte, die er hochhielt.
    Er ließ nur niemanden daran teilhaben…
    Nein, Gryf würde nicht kämpfen können. Er würde hingehen und sich den Meeghs ausliefern. Wie ein Schaf, das zur Schlachtbank geht.
    Mit diesem Schachzug hatten die Meeghs nun tatsächlich das erreicht, was sie erreichen wollten…
    Ihre erbittertesten Gegner waren gezwungen, sich ihnen auszuliefern!
    Damit war der Kampf entschieden…
    ***
    »Teri?« fragte Nicole.
    Das Gesicht der goldhaarigen Druidin verdüsterte sich. Langsam schüttelte sie den Kopf.
    »Ich bin zwar nicht auf dem Silbermond aufgewachsen«, flüsterte sie. »Aber… wie könnte ich mich gegen die Tabus meines Volkes stellen?« Sie trat zu Gryf und faßte nach seiner Hand. »Wir können beide nichts tun. Unter dem Toten Wasser können wir nicht kämpfen.«
    »Das darf doch alles nicht wahr sein«, stöhnte Nicole. »Wir sollen also hingehen und uns umbringen lassen, wie? Sieht denn keiner, daß die Meeghs Ivetac und Thorr trotzdem nicht freilassen werden? Sie werden sie

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