0403 - Das Auge des Jägers
Ein Phänomen wie dieses hatten sie wohl noch nicht erlebt.
»Das Haus steigert sich förmlich in eine Art Hysterie«, stieß Gryf hervor. »Wir müssen etwas tun! Wir müssen ihm helfen!«
Zamorra zog den Betäuber aus der Overalltasche und schaltete ihn ein. Die Energie flirrte auf das Haus zu, traf es und lähmte es an einer Stelle. Doch die Strahlen waren zu klein, das gesamte Haus stillzulegen. Es konnte immer nur ein kleiner Teil berührt werden. Zamorra verbrauchte fast die gesamte gespeicherte Energie des Betäubers, bis das Haus endlich zur Ruhe kam. Es war jetzt ein erstarrter Klumpen, in sich zusammengefallen und verhärtet.
»Es wird bald wieder erwachen«, sagte Teri.
»Aber bis dahin kann der Schmerz abgeklungen sein«, erwiderte Gryf. »Diese Häuser haben eine erstaunliche Regenerationskraft. Das liegt eben daran, daß sie so verformbar sind. Wenn der Schmerz vergangen ist, wird es die Wunden mühelos aus seiner Substanz wieder schließen können, so wie es Türen und Fenster schließt. Das war eine gute Idee, Zamorra. Sie hätte von mir sein können.«
»Ich habe häufig gute Ideen«, sagte Zamorra. »Das ist meine Spezialität in mindestens hundert Prozent aller Fälle.«
»Angeber«, hauchte Nicole ihm ins Ohr.
Zamorra sah sie an. »Was hast du eigentlich herausfinden können?« fragte er. »Das sollten wir vielleicht mal in einer stillen Minute klären. Immerhin haben wir jetzt im Augenblick Ruhe.«
»Ist das auch eine deiner guten Hundert-Prozent-Ideen?« lästerte Gryf.
»Wir haben eben keine Ruhe«, sagte Nicole. »Es wird immer brenzliger.«
»Wo steckt die Meegh-Basis?«
»Das habe ich leider nicht herausfinden können«, gestand Nicole. »Der Kristall zerstörte sich vorher. Ich weiß nicht, ob da einer mitgehört hat und einen Zerstörungsbefehl funkte, oder ob in diesen Kristallen ohnehin die Selbstzerstörung fester Bestandteil der Programmierung ist…«
»Wahrscheinlich letzteres«, warf Zamorra ein. »Damals, als wir es mit den Cyborgs zu tun hatten, sind die Kristalle ja auch alle zerstört worden.«
»Keine Zwischenrufe bitte«, verlangte Gryf. »Weiter, Nicole.«
»Es kam eine Nachricht ’rüber«, sagte Nicole. »Sie muß diesem Kristall so intensiv aufgepfropft worden sein, daß sie alles andere zurückdrängte. Sie kam als erstes, und dann explodierte er eben.«
»Was war das für eine Nachricht?«
»Ivetac und Thorr sind in der Gewalt der Roboter«, sagte Nicole. »Wenn nichts geschieht, werden sie gefoltert und getötet. Wenn wir uns stellen, werden sie freigelassen.«
»Also ein Austausch, wie?« murmelte Gryf bissig. »Wie liebenswert von unseren Freunden. Sie sehen ein, daß sie uns mit Überfällen nicht mehr beikommen können, weil wir zu wachsam und zu schnell sind, also versuchen sie es mit Erpressung.«
»Apropos Überfälle«, sagte Zamorra mahnend.
Teri hob die Hand. »Keine Sorge«, sagte sie. »Während ihr redet, passe ich auf. Keine Gefahr in der Nähe. Nur ein paar tödlich beleidigte Druiden, die ich telepathisch zu sondieren versuchte.«
Zamorra nickte erleichtert. Es befanden sich also keine Roboter in der Nähe. Daß diese Maschinenwesen sich überhaupt unerkannt zwischen den Druiden bewegen konnten, lag einfach daran, daß ein Telepath dem anderen nicht in die Gedankenwelt schaute – anders wäre ein Zusammenleben dieser Druiden kaum möglich gewesen.
»Hast du herausfinden können, wo die beiden gefangen gehalten werden?« erkundigte sich Zamorra.
»Ja«, sagte Nicole mit unterschwelligem Stolz. »Ich habe sofort nachfassen und diese Nachricht gewissermaßen aushebeln können. Da steckte mehr drin, als man uns mitteilen wollte.«
»Es war also eine gezielte Mitteilung an uns?«
»Ja. Eigens kurzzeitig eingepflanzt. Nun, Ivetac und Thorr befinden sich auf dem Druidenfriedhof im Toten Wasser.«
***
»Das Tote Wasser!« entfuhr es Gryf. »Ausgerechnet…«
»Was ist damit?« fragte Nicole.
»Es ist eine Tabuzone. Nur mit reinen Gedanken geht man zum Friedhof der Druiden. Dort jemanden gefangenzuhalten, ist ein unvergleichbarer Frevel, das Schlimmste, was überhaupt geschehen kann. Eine Zerstörung des heiligen Platzes…«
Zamorra schluckte.
»Das könnte bedeuten«, sagte er leise, »daß es zu einem Aufstand kommen würde, ja? Daß sich sämtliche Druiden des Silbermondes aufmachen würden, die Meeghs zu jagen?«
»Du Träumer«, gab Gryf bedrückt zurück. »Wenn es so einfach wäre. Aber mein Volk denkt da etwas anders. Man
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