0404 - Die Bande der Toten
schlanken Frau gegenüber, die kein Make-up trug, dafür aber Bluejeans und ein kariertes Männerhemd. Ihr kupferbraunes, kurz geschnittenes Haar ließ sie fast wie achtzehn erscheinen. Dabei musste sie wenigstens zehn Jahre älter sein. Sie hatte eine sehr natürliche, ungezwungene Art und reichte uns beiden die Hand. Ihre zart geschwungenen Nasenflügel vibrierten leise, als sie sich auf eine Couch plumpsen ließ und die Füße hochzog.
»Wissen Sie, ich bin enorm neugierig. Wahrscheinlich wie alle Frauen«, gestand sie und lächelte mit ihrem ein wenig zu kleinen Mund. »Das FBI kommt zu mir! Das ist richtig spannend! Was kann ich denn für unsere berühmte Bundespolizei tun?«
Diesmal übernahm Phil das Gespräch.
»Können Sie sich an ein Mädchen namens Eileen Hopkins erinnern?«, fragte er.
»Eileen Muggon!«, verbesserte Gloria Bella sofort. Aus der Nähe sah man die ersten Andeutungen von Fältchen in ihren Augenwinkeln. »Sie war eine geborene Hopkins, aber eine verwitwete Muggon.«
»Richtig«, bestätigte Phil. »Haben Sie ihren Mann auch gekannt?«
»Nein. Der war schon tot, als wir uns kennenlernten. Den Bruder ihres Mannes habe ich einmal bei ihr gesehen. Er, nun ja, er gefiel mir nicht sonderlich. Er war mir zu direkt, zu aufdringlich.«
»Um diesen Bruder handelt es sich«, fuhr Phil fort. »Man nannte ihn noch vor Kurzem in der Unterwelt Dempsy den Künstler. Weil er es fertigbrachte, niemals von der Polizei erwischt zu werden.«
»Oh, ist er ein Verbrecher?«
»Von Berufs wegen, wenn man da überhaupt von Beruf sprechen kann. Haben Sie denn damals nicht in der Presse verfolgt, wie er wegen einiger Raubüberfälle lebenslänglich Zuchthaus bekam?«
»Ach, du lieber Himmel! Jetzt fällt es mir wieder ein. Ja, natürlich! Ich war außer mir. Und dieser Bursche hatte mich zu wer weiß was einladen wollen! Ein richtiger Gangster! Ja, sicher, jetzt erinnere ich mich wieder. Das war damals die Zeit, als mein Agent endlich ein bisschen auf mich aufmerksam geworden war. Ich musste hart arbeiten, und da blieb mir wenig Zeit, mich noch um private Dinge zu kümmern. Ich konnte sogar mit Eileen nur noch selten Zusammenkommen, und deshalb ist mir auch die Geschichte mit ihrem Schwager nicht in der Erinnerung geblieben. Wissen Sie«, seufzte sie ein wenig müde, »wenn man im Showgeschäft etwas werden will, muss man schuften wie ein Ackergaul. Früher wollte ich unbedingt Karriere machen und viel Geld verdienen. Und heute verdiene ich viel Geld, habe aber . kaum noch Zeit, mich auch nur darüber zu freuen. Seit sechs Wochen nehme ich mir vor, mal in Ruhe einkaufen zu gehen. Ich komme einfach nicht dazu. Aber ich schwatze hier dummes Zeug und verplempere Ihre und meine Zeit. Fahren Sie fort, Agent Decker.«
»Nun, um auf Dempsy Muggon zurückzukommen: Sein Spitzname hat sich bezeichnenderweise geändert. Er heißt nicht mehr Dempsy der Künstler. Die Zeitungen nennen ihn jetzt Dempsy den Killer.«
Miss Bella schlang ihre Arme um die hochgezogenen Knie.
»Oh«, sagte sie erschrocken. »Das hört sich entsetzlich an. Hat er tatsächlich jemand umgebracht?«
»Mit Sicherheit schon zwei Personen: einen Zuchthauswärter, den er totschlug, als er aus dem Zuchthaus ausbrach, und einen Handlungsreisenden, den er erschoss, als er ihm die Kleidung und den Wagen stahl. Und vielleicht hat er auch den Mord an der Inhaberin einer Leihbücherei auf dem Gewissen.«
»Mein Gott, das ist ja - also ich weiß nicht, wie man das nennen soll. Das ist ja beinahe wie ein Amoklauf! Die Inhaberin einer Leihbücherei? Hat er ihr die Kasse ausgeraubt?«
»Nein«, sagte Phil ernst. »Wir vermuten, dass er sie umbrachte, weil sie Eileen Hopkins kannte.«
»Weil…«
Miss Bella brach offenen Mundes ab. Sie wurde blass, als ihr die Bedeutung dieses Satzes auch in Bezug auf ihre eigene Person aufging.
»Er sucht seine frühere Schwägerin«, erklärte Phil. »Wir wissen das nicht mit Bestimmtheit, aber wir vermuten. Und auf dieser Suche scheint er sehr skrupellos vorzugehen.«
»Was will er von ihr?«, fragte Miss Bella.
»Wahrscheinlich die Beute seiner Raubüberfälle, wegen denen er damals verurteilt wurde. Die Beute konnte bis auf den Tag nicht gefunden werden. Aber Dempsy war in New York, als man ihn ergriff. Er dürfte seine Beute irgendwo in New York versteckt haben.«
»Das Paket!«, rief Gloria Bella plötzlich. »Das Paket!«
»Wovon sprechen Sie?«, fragte Phil schnell.
»Eileen hatte ein sorgfältig
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