0404 - Die Bande der Toten
hatte. Und da ich damit rechnete, sagte ich mir, dass man vielleicht auch an meinem Arbeitsplatz suchen würde. Was ja in der Tat auch geschah.«
»Wo hatten Sie dann den Gepäckschein?«
»Der lag auf dem Postamt an der Ecke. Ich hatte ihn in einen Briefumschlag gesteckt, meinen Namen darauf geschrieben, die Bezeichnung des Postamtes und dazu den Vermerk: postlagernd.«
»Aber solche Briefe werden doch nicht acht Jahre lang aufgehoben!«, widersprach ich.
»Natürlich nicht. Aber mehrere Wochen, vielleicht sogar Monate, das weiß ich nicht. Ich ging einfach alle vierzehn Tage hin, holte den Brief ab und schob den Gepäckschein in einen neuen Umschlag, sodass er wieder vierzehn Tage bei der Post liegen konnte. Billiger als für die paar Cent konnte ich kein sicheres Versteck auftreiben.«
Damit hatte sie zweifellos recht. Aber als dieser Punkt geklärt war, steuerte Phil sofort auf die Frage zu, die uns im Grunde am meisten interessierte.
»Haben Sie das Paket heute noch?«
»Nein.«
Ich atmete tief. Jetzt war ich auf die nächste Geschichte gespannt, die sie uns auftischen würde. Allmählich verstärkten sich bei mir die Zweifel, ob man ihr wirklich glauben konnte.
»Wo ist das Paket dann?«, fragte Phil.
»Jemand hat es abgeholt. Ein Mann. Vor ungefähr zwei Jahren. Er kam aus dem Zuchthaus und behauptete, er hätte viele Jahre zusammen mit Dempsy in einer Zelle gesessen. Er wusste so viel von Dempsy, dass ich es glauben musste. So viel konnte nur jemand wissen, der jahrelang mit Dempsy zusammengelebt hatte.«
»Und da haben Sie ihm einfach das Paket ausgehändigt?«
»Ja. Er sagte, Dempsy hätte ihn beauftragt, es bei mir abzuholen. Wenn das nicht so gewesen wäre, woher konnte er überhaupt wissen, dass ich es hatte? Außer Dempsy und mir wusste es doch sonst niemand.«
»Miss Bella wusste zum Beispiel auch davon.«
»Sie ist meine Freundin, und sie ist der einzige Mensch, dem ich es erzählt hatte. Außerdem bin ich sicher, dass sie nicht darüber gesprochen hat.«
Gloria Bella schaltete sich sofort ein: »Ich habe tatsächlich mit niemandem darüber gesprochen.«
»Also gut. Sie konnten den berechtigten Glauben haben, dass dieser Mann tatsächlich von Dempsy selbst von dem Paket wusste.«
»Es musste so sein. Er wusste sogar, wie das Paket aussah, wie es verschnürt war und aus welchem Packpapier die äußere Hülle bestand. Ich musste es ihm glauben. Außerdem kam noch etwas hinzu.«
»Nämlich?«
»Ich wollte es los sein. Ich habe niemals hineingeschaut, obgleich es mich oft genug danach verlangte. Aber ich hatte immer ein schlechtes Gewissen wegen dieses ekelhaften Pakets. Ich wollte es los sein. Und als dieser Mann kam, war ich froh, dass ich es auf diese Weise loswerden konnte.«
»Können Sie sich möglichst genau erinnern, wann das war, als der Mann bei Ihnen auftauchte?«
»Ja. Es war Ostern vor zwei Jahren. Ostersonntag.«
»Wie hieß der Mann?«
»Ich habe seinen Namen damals in meinen Kalender geschrieben. Für den Fall, dass Dempsy einmal begnadigt werden sollte und von mir Rechenschaft über das Paket verlangte. Außerdem habe ich mich sogar vergewissert, dass mir der Mann keinen falschen Namen angegeben hatte.«
»Wie konnten Sie das tun, wenn Sie ihn nicht kannten?«
»Er zeigte mir den Entlassungsschein aus dem Zuchthaus. Da wird doch wohl der richtige Name darauf stehen.«
»Ja, natürlich«, gab Phil zu. »Haben Sie diesen alten Kalender noch?«
»Ich habe die Kalender von den letzten elf Jahren noch«, sagte Eileen Hopkins und stand auf. »Warten Sie einen Augenblick, ich suche ihn heraus.«
Sie ging hinaus. Wir tranken den Rest von dem inzwischen kalt gewordenen Kaffee und warteten. Kurz darauf kam sie zurück mit einem roten, zierlich aussehenden Taschenkalender. Sie blätterte.
»Hier steht es«, sagte sie nach einigem Suchen. »Am Ostersonntag, genau wie ich es sagte: Bryan Newell. Das war der Mann, der Blicks Paket abholte.«
Ich stand auf und blickte fragend zu Gloria Bella.
»Darf ich mal Ihr Telefon benutzen?«
»Selbstverständlich. Bedienen Sie sich.«
Ich rief das Distriktgebäude an, ließ mich mit dem Archiv verbinden und sagte: »Ein gewisser Bryan Newell. Haben wir etwas über ihn?«
»Wir sehen nach.«
Ich zündete mir eine Zigarette an, während ich wartete. Es dauerte ein Weilchen. Dann kam die Antwort: »Newell, Bryan, jetzt 41 Jahre alt, vor zwei Jahren am Donnerstag vor Ostern aus dem Staatszuchthaus von Connecticut
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