0404 - Karten des Unheils
glich mehr einem Weinen. »Schlimmer geht es nicht mehr. Der Tod ist die grausamste Karte, weil er so endgültig ist. Niemand kommt an ihm vorbei. Ob Mensch, ob Magier – der Sensenmann holt sie alle. Auch uns wird er holen.«
»Beide?«
Ludmilla hob die Schultern. »Nein, eigentlich nicht. Das heißt, ich bin mir nicht sicher.«
»Wieso nicht?«
»Weil ich zunächst noch die letzte Karte herumdrehen muss. Auf sie kommt es an, denn sie ist beim Tarot die wichtigste von allen.«
»Dann bitte.« Lady Sarah hatte nicht nach dem Motiv der Karte gefragt, sie wollte sie sehen und schaute zu, wie sich die Hand der Russin darauf legte.
Diesmal war es wieder so wie bei den ersten drei Karten. Von innen heraus begann die Hand der Frau zu strahlen, und diese weiße Aura breitete sich aus.
Sarah war gespannt, aber ihr Gegenüber ließ sich Zeit, bis sie plötzlich die Hand wegnahm.
Ein Bild war entstanden, eine Figur. Bunt angezogen, einwenig verwachsen wirkend mit einem sehr großen Kopf, der von einer Schellenkappe bedeckt wurde.
»Das ist der Narr,« erklärte Ludmilla, als sie den fragenden Blick ihrer Besucherin auf sich gerichtet sah. »Der Narr, der in diesem Spiel ebenfalls zu den wichtigsten Karten gehört.«
Mrs. Goldwyn schüttelte den Kopf. »Das begreife ich nicht.«
»Warum nicht?« Die Frage klang aggressiv. Urplötzlich stand die Frau wieder unter einem großen Druck.
»Wenn die stärkste Karte der Tod ist, wie kann dann ein Narr etwas ausrichten?«
»Die Überlegung ist richtig, aber auch das Endgültige kann gemildert werden.«
»Tut mir Leid. Das ist mir zu hoch.«
Die Russin winkte mit beiden Händen ab. »Moment, Moment, lassen Sie mich es Ihnen erklären. Das Tarot ist nicht so einfach zu begreifen. Man muss die Hintergründe erkennen können. Ich habe von der Endgültigkeit des Todes gesprochen, und damit liege ich auch nicht falsch. Einer von uns beiden wird sterben. Hätte ich die letzte Karte nicht aufgedeckt, wären wir beide nicht mehr lebend aus diesem Zimmer herausgekommen. So aber können wir uns noch Hoffnungen machen. Der Narr hat zahlenmäßig keine Bedeutung, aber er ist nicht nur der Narr, sondern gleichzeitig der Joker in diesem Spiel. Man kann gut sein und alles beherrschen, was es an Kartenspielen gibt, aber man sollte eines nicht vergessen. Den Joker. Und hier liegt er vor uns. Der Joker ist wichtig.«
»Wieso kann er einen von uns retten?«
Da lächelte die Russin. Ihre nächsten Worte flüsterte sie Lady Sarah über den Tisch zu. »Der Joker kann auch den Tod angreifen. Er ist zwar nicht in der Lage, ihn zu stoppen, aber er macht es möglich, dass sich der Tod mit der Hälfte seines Plans zufrieden gibt. Wäre der Joker nicht erschienen, hätten wir, wie ich schon sagte, beide den Raum nicht mehr lebend verlassen. Da wir ihn aber sehen, hat er dem Tod die Hälfteseines Planes abgenommen.« Sie atmete schwer. »Ich habe die Karten gelegt, aber für andere. Hin und wieder hat sich der Tod darunter befunden, und ich musste diesen bedauernswerten Menschen ihr Schicksal leider mitteilen. Aber nie bin ich selbst davon betroffen worden. Das ist heute zum ersten Mal der Fall. Ich habe immer gewusst, dass mich der Sensenmann holen wird, denn ihn zu überlisten, das schafft kein Mensch. Dass es allerdings so schnell geschehen würde, hätte ich nicht für möglich gehalten. Ihr Besuch, Sarah, trägt daran die Schuld. Und sonst nichts. Haben Sie kapiert?«
»Mittlerweile ja. Nur einen Einwand möchte ich hinzufügen.«
»Bitte.«
»Ich bin eigentlich nicht gekommen, um zu sterben. Mein Grund war es, mehr über Baal zu erfahren, den Sie in Ihrem Artikel erwähnt haben, Ludmilla. Das dürfen Sie nicht vergessen.«
»Ich weiß es, Sarah. Auch ich habe immer daran gedacht. Doch um etwas über Baal zu erfahren, mussten wir diesen Weg gehen. Vor uns liegen die fünf Karten des Tarot.«
»An die Sie glauben?«
»Natürlich. Es ist eine Ehrensache, denn das Spiel ist uralt. Wissen Sie das?«
»Nein.«
»Der Legende nach wurde es in der alttestamentarischen Zeit entwickelt. Daher stammen die Urmotive, wenn sie auch später verändert wurden. Doch ein Mann hat sich damit auseinander gesetzt, von dem auch noch in der heutigen Zeit manchmal die Rede ist, denn er wurde nie vergessen.«
»Wer ist es?« fragte Lady Sarah.
Und dann erhielt sie die Antwort, die sie fast vom Stuhl riss.
»Hesekiel!«
***
Es war mein Freund Suko, der mich mit einem strahlenden Lächeln empfing, als ich
Weitere Kostenlose Bücher