0404 - Karten des Unheils
markerschütternd hallte er durch den Flur. Ausgestoßen worden war er über uns. Ob in der ersten oder zweiten Etage, wussten wir nicht, aber uns war klar, dass jemand den Dolch entdeckt hatte, und wir starteten wie der Blitz.
***
Nicht allein uns hatte der Schrei alarmiert, auch andere Hausbewohner. Sie hatten sich auf dem Flur in der ersten Etage versammelt und starrten die Frau an, die ihre Wohnung verlassen hatte und noch immer gellend schrie.
»Er ist tot! Er ist tot!« Diese Worte konnten wir verstehen, bevor wir uns an den Gaffern vorbeidrängten und einige sogar hart zur Seite stoßen mussten.
Ich gab mich als Polizist zu erkennen und konnte mich zu der Frau vorarbeiten. Sie sah verhärmt aus und weinte. Ab und zu wurde sie von Krämpfen geschüttelt. Das Schreien war leiser geworden.
»Er ist tot!« röchelte sie.
»Wo liegt er?«
»In der Wohnung!«
Ich nickte Suko zu und ließ die Frau los. »Kümmere du dich um sie.«
»Und du?«
»Ich gehe rein!«
Suko sah so aus, als wollte er widersprechen, nickte aber und meinte nur: »Ich decke dir den Rücken!«
»Okay.«
Kaum hatte ich einen Schritt über die Schwelle getan, als ich den Toten sah.
Er lag auf dem Rücken. Aus der Wunde am Hals sickerte nur noch wenig Blut. Ich nahm das Kreuz in die rechte Hand. Mir war klar, dass ich es hier brauchen würde, streifte deshalb die Kette über den Kopf und nahm es in die rechte Hand.
Kreuz gegen Dolch!
Wer würde gewinnen?
Noch steckte die Waffe im Körper des Toten. Was würde geschehen, wenn ich sie herauszog? Im Büro hatten sich die beiden gegenüber gelegen, da war nichts geschehen, aber dort hatte ich das Kreuz auch nicht aktiviert. Hier aber musste ich aufs Ganze gehen, auch wenn ich dabei Gefahr lief, Baals Opferdolch zu zerstören.
Ich behielt ihn im Auge, als ich mich bückte. Starr steckte er im Hals des Toten. Sein Griff zitterte nicht, er wirkte harmlos, aber ich hütete mich, ihn zu unterschätzen, als ich mich bückte und den rechten Arm ausstreckte.
Vom Flur her hörte ich leise Stimmen.
Dann wurde ich schnell.
Das Kreuz fiel plötzlich nach unten. Es klirrte gegen den Dolch, ohne irgendeine Reaktion zu zeigen.
Sollte die Magie verschwunden sein?
Ich fasste nach dem Griff.
Unangefochten konnte ich meine Finger um ihn legen und zog den Dolch mit einem Ruck aus der Wunde.
Nichts geschah.
Hatte mein Kreuz es tatsächlich geschafft, Baals Opferdolch zu neutralisieren?
Ich wollte es kaum glauben, aber als beide Gegenstände auf meiner Hand lagen, musste ich es.
Ich merkte selbst, wie meine Hände zitterten. Mit den Fingern der Rechten umfasste ich den Griff. Es war eine gewisse Wärme in ihm, und das grüne Leuchten legte sich sogar über meine Hand.
So etwas war mir noch nie passiert. Zwei unterschiedliche Waffen, die eine dem Licht, die andere der Finsternis geweiht, taten sich nichts. Wie war das möglich?
Ich ging zurück, öffnete die Tür und betrat den Flur. Zahlreiche Gesichter starrten mich an.
Das Schweigen stand da wie eine Mauer. Und ein jeder starrte auf das, was in meinen Händen lag.
Auch Suko und Lady Sarah. Die Horror-Oma fand sehr schnell die Sprache wieder. »John, weshalb tun sich die beiden nichts? Die müssten sich doch gegenseitig zerstören.«
»Ich weiß es nicht.« Mein Lächeln fiel krampfhaft aus. »Ich weiß mir keinen Rat.«
Suko war sehr misstrauisch. »Es muss einen Grund geben,« murmelte er. »Ja, das muss es.«
»Sicher.«
Er trat näher. Die anderen Zuschauer wichen zurück. Nur die junge Frau, die ihren Mann verloren hatte, lehnte noch an der Wand und weinte leise vor sich hin.
Sarah Goldwyn versuchte, sie zu trösten. Ich wünschte ihr, dass sie damit Erfolg hatte. Suko aber kümmerte sich nicht um uns. Sein Blick fraß sich an dem Kreuz fest.
»John« sagte er leise. »Du wolltest doch wissen, weshalb sich die beiden nichts tun.«
»Ja, das will ich.«
»Eine genaue Erklärung kann ich dir auch nicht geben, aber sieh dir das Kreuz an und die Stelle, die von Lilith beeinflusst worden ist.«
Suko half mir sogar und leuchtete mit der Lampe.
Ich stierte förmlich das Silber an und sah plötzlich die Veränderung. Nicht die vor mir noch nicht enträtselten Zeichen, die ursprünglich an diese Stelle gehörten, sah ich, sondern Rasputins Gesicht, das mir schon im Büro aufgefallen war.
Ihm, dem abtrünnigen Mönch, war es gelungen, von meinem Kreuz Besitz zu ergreifen!
Ich hob den Blick und schaute in Sukos Gesicht.
Es war
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