0405 - Fluchtweg durch die Unterwelt
hatte, dass die Verdächtige ganz harmlos sein könnte und sich vielleicht nur eines verflossenen Freundes wegen die Brille schnell aufgesetzt hatte, so war ich meiner Sache jetzt ziemlich sicher.
Ich nickte dem Fahrer des Dodge zu, der mich dauernd im Auge behalten hatte und nun die Hand an die Nase legte, um unauffällig ins Mikrofon zu sprechen.
Bolt und ich verschwanden in einem großen Konfektionsgeschäft für Herren und sahen durch die Ladenscheiben nach draußen. Zum Glück war im Augenblick kein Verkäufer frei, sodass wir Erklärungen sparen konnten.
Unsere Grandma kam am Geschäftseingang vorbei, drei Schritte hinter ihr die Frau mit der großen Sonnenbrille, die nun sicher zu sein schien, dass ihr niemand folgte.
Wir durcheilten rasch das Geschäft und verließen es durch einen Nebeneingang in der 49. Straße, die wir überquerten.
An der nächsten Ecke des Broadways würde es spannend werden, denn dort lag ein großes Kaufhaus, das sich um das gleich danebenliegende Capitol Theatre herumschlängelte, mehrere Stockwerke hatte und vor allem auch durch die nächste Querstraße verlassen werden konnte.
Wir gingen sofort in das Kaufhaus hinein, nachdem ich durch einen kurzen Seitenblick festgestellt hatte, dass der blaugraue Hut mit dem Schleier sich der Ecke näherte. Ihre Verfolgerin war im Augenblick verdeckt, doch ich hatte die gelbe Kappe zweimal kurz aufleuchten sehen.
Wir bauten uns nicht weit vom Eingang hinter einem Stand mit Süßigkeiten auf.
Genau auf der Höhe des Eingangs kam das, was ich erwartet hatte.
Die Frau in Gelb rückte dicht auf, griff mit der rechten Hand nach dem bunten Beutel, zischte etwas durch die Zähne und schwenkte in der nächsten Sekunde mit dem Beutel in das Kaufhaus.
Mrs. Dallinger war blass geworden, stockte ein, zwei Herzschläge lang und ging dann ruhig weiter. Mehr als einen Schimmer des gelben Mantels konnte sie nicht gesehen haben, ihr Gesicht blieb geradeaus gerichtet.
Ich sah Phil rasch Vorbeigehen. Er wollte sich in der Nähe des anderen Ausgangs aufbauen. Miller kam langsam in das Kaufhaus geschlendert und hatte einen Panama auf dem Kopf, den er vorher zusammengerollt in der Tasche getragen hatte, wo jetzt der hellgraue, gesteppte Hut steckte.
Die Frau in Gelb ging hastig zum Fahrstuhl, wo ich schon stand, als sie ankam. Ich ging als einer der ersten hinein und stellte mich hinten an die Wand, wo ich den Speisezettel des Erfrischungsraums studierte. Erst, kurz bevor der Fahrstuhl hielt, drehte ich mich herum.
Die gelbe Kappe funktelte unmittelbar vor der Tür, schon im ersten Stock bewegte sie sich nach draußen.
Ich hatte Mühe nachzukommen, geriet in die Gardinenabteilung und sah fast in letzter Sekunde einen gelben Ärmel durch die Tür zum Treppenhaus verschwinden.
In unvornehmer Hast jagte ich hinterher, musste einen vorwurfsvollen Blick einer Verkäuferin einstecken und fand ein leeres Treppenhaus vor. Aber einen Stock tiefer klappte eine Tür zu, und an dieser Tür stand Waschraum für Kundinnen.
Über mir erklang ein leiser Pfiff.
Bolt winkte über das Geländer und kam schnell zu mir herunter.
»Sie ist…«
»Ich weiß, runter, ich bleibe hier oben.«
Bolt sauste abwärts, und ich ging ein paar Stufen höher in Richtung des zweiten Stocks. Auf halbem Weg blieb ich stehen. Von dieser Treppenbiegung aus war gerade die untere Hälfte der Waschraumtür zu sehen.
Draußen auf der Straße vor dem Nebenausgang wartete irgendwo Phil, und beim Hauptausgang trieb sich Miller herum.
Die Frau mit den hunderttausend Dollar war vollkommen eingekreist.
Sie hatte nur dann eine Chance, wenn es ihr gelang, sich in eine Maus zu verwandeln und durch die Ventilation zu schlüpfen.
***
Jenny Burley hatte den Rolls-Royce langsam den Broadway hinunterfahren sehen und die Frau darin gleich wiedererkannt. Sie kam, wie vorgeschrieben, in derselben Aufmachung an, die sie auch mittags beim Geldholen getragen hatte.
Die Beobachtung der Bank war ein Kinderspiel gewesen.
Jenny hatte nachher in Ruhe ihre Vorbereitungen treffen können und dann den Anruf losgelassen, sofort mit dem Geld abzufahren.
Das war ein besonders guter Dreh, denn dadurch blieb keine Zeit für eine raffiniert aufgebaute Falle.
Es ging doch nichts über ein kluges Köpfchen.
Na, und dann war Grandma mit ihrer schönen Wundertüte aufgetaucht. Es war ein wirklich erfreuliches Bild, wie sie da mit so viel herrlichen grünen Scheinen antanzte, die man ihr nur noch abnehmen musste, weiter
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