0405 - Mit Blut geschrieben
Grund, diesem abtrünnigen Mönch unbedingt zu vertrauen.
Als sie das Licht erreichte, musste sie stehen bleiben. So hatte es ihr Rasputin befohlen.
Es war eine primitive Lampe, die über der Tür hing, gesichert durch ein schmales Gitter. Das Kabel lag nicht unter dem Gestein. Es führte wie eine schmale schwarze Schlange an der Decke entlang.
»Öffne die Tür!«, hörte sie den Befehl.
»Und dann?«
»Wirst du weitergehen!«
Lady Sarah nickte. Plötzlich spürte sie die Angst. Sie hatte Mühe, ein Zittern ihrer Beine zu unterdrücken. Der Gaumen war trocken, im Hals saß ein Kloß. Sie wusste genau, dass sie vor einer wichtigen Entscheidung stand, die einen Erfolg bringen, aber auch in den Tod führen konnte.
Aber sie hatte A gesagt. Jetzt musste sie auch B sagen und weiterhin in den sauren Apfel beißen. Sie legte eine Hand auf die Klinke, spürte die Kälte des Metalls und bewegte den Griff nach unten.
Die Tür, obwohl sie so alt war, ließ sich sehr leicht öffnen. Lady Sarah zog sie zu sich heran. Das knarrende Schleifen störte sie nicht dabei. Einen Moment später blickte sie in eine stockfinstere Tiefe, die etwas Unheimliches und auch Gefährliches barg.
Als sie Luft holte, spürte sie die Beklemmung in ihrer Brust. Die Augen brannten. Die Furcht steckte in ihren Knochen. Mit einer fahrigen Geste strich sie ihre Haare zurück und zögerte.
Rasputin meldete sich wieder auf telepathischem Weg. »Vor dir liegen Stufen. Du musst sie nehmen. Keine Sorge, ich kenne deine Ängste. Ich weiß, was du fühlst. Du bist ein Mensch und hast Ängste auszustehen, aber die gehen vorbei. Deshalb musst du dich nur auf mich verlassen. Nur auf mich, hast du gehört?«
»Ja.«
»Da befindet sich ein Geländer. Daran kannst du dich festhalten. In der Tiefe des Kellers und an den Grundmauern des Klosters wirst du mein Testament finden, in dem das niedergelegt wurde, was die Menschen so interessiert. Geh schon!«
Gern hätte Lady Sarah mehr über die geheimnisvolle Hinterlassenschaft gewusst, aber sie wagte nicht, danach zu fragen.
Andere Dinge waren jetzt wichtiger.
Und so schob sie ihr Bein vor.
Sarah Goldwyn war nicht mehr die Jüngste. Sie musste vorsichtig sein, fand das Geländer und krampfte sich daran fest. Dann erst fand sie die zweite Stufe, die dritte, die vierte. Sie spürte unter ihren Schuhsohlen die Unebenheiten des Steins. Er hatte im Laufe der Jahre Veränderungen erfahren, die zu gefährlichen Stolperfallen werden konnten, wenn man nicht Acht gab.
Aber Lady Sarah schaffte es. Sie hatte sich voll und ganz auf diesen Gang durch die Finsternis konzentriert, und die Tür blieb hinter ihr als ein schwach erleuchtetes Rechteck zurück.
Wie hoch die Decke war, sah sie nicht. Aber sie nahm den muffigen Geruch wahr, der in diesen Kellerräumen vorherrschte. Es war der Geruch nach Alter, Feuchtigkeit und Verwesung. Nach vergehenden Steinen, Staub, Dreck, der auch zwischen den Zähnen der Horror-Oma knirschte, wenn er von ihren Schuhen aufgewirbelt wurde.
Auch die längste Treppe ist mal zu Ende. Lady Sarah erreichte irgendwann die letzte Stufe. Als sie ihr Bein vorschob, ertastete sie keine weitere Kante mehr. Dafür glitt die Sohle über das raue und rissige Gestein des Bodens, sodass sie das typische Schaben hörte.
Keinen Schritt mehr ging sie weiter. Lady Sarah wartete auf ihren Führer.
Und Rasputin war da.
»Ich freue mich, dass du es bis hierher geschafft hast, meine Liebe. Ich freue mich sehr. Jetzt ist es nicht mehr weit. Dreh dich um!«
»Und dann?«
»Wirst du einfach vorgehen.«
»Nein, ich laufe gegen eine Mauer.«
»Besitzt du kein Feuerzeug oder etwas anderes, das dir helfen könnte?«
»Ja, Moment.« Lady Sarah holte das Feuerzeug aus der Tasche.
Schon bald flackerte die Flamme. Sie blendete die Horror-Oma, sodass sie die Augen zusammenkniff. Erst als sie den Arm ein wenig zur Seite bewegte, konnte sie ihre Umgebung blendfrei erkennen.
Wieder sah sie sich umgeben von einem düsteren Mauerwerk, auf dem die Feuchtigkeit einen Film hinterlassen hatte. Dieser Teil des Klosters schien tatsächlich der älteste zu sein, durch ihn wehte noch der Odem des letzten Jahrhunderts. Sie spürte ihn fast körperlich, auch die Gänsehaut auf ihrem Rücken ließ darauf schließen, und wieder erhielt sie einen Befehl.
Lady Sarah musste vorgehen. Eine Nische, wie in die Wand hineingestemmt, wurde sehr bald von dem flackernden Schein ausgefüllt. In den Winkeln waren Spinnweben. Kleine
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