0405 - Mit Blut geschrieben
Kerze ein«, nahm sie sich vor und verteilte die Karten vor sich. Sie legte sie nebeneinander.
Zuerst den Magier, eine bleiche Gestalt, die düster wirkte.
Als zweite Karte daneben lag die Kaiserin. Sehr vornehm wirkte die Frau in ihrer prächtigen Kleidung. Auch die Krone auf dem Kopf trug dazu bei.
Platz in der Reihe hatte auch der Gehenkte. Man hatte die Schlinge um seinen linken Knöchel geknüpft und ihn an einen Ast gehängt, sodass er mit dem Kopf nach unten baumelte. Die rot-schwarze Kleidung ließ sein Gesicht noch blasser erscheinen.
Als letzte Karte in der Reihe lag der Joker dort. Sie war ungemein wichtig, denn Lady Sarah wusste, dass ihr diese Karte wahrscheinlich das Leben gerettet hatte. Der Narr in seiner bunten Kleidung, auch Joker genannt, war derjenige, der den Tod als Einziger in seine Schranken weisen konnte. Denn als Ludmilla Prokowa die Karten in London aufdeckte, war auch die Todeskarte dabei gewesen. War sie nicht dabei, gab es für den Menschen keine Chance.
Aber der Joker hatte sie abgeschwächt. So hatte es nicht Lady Sarah, sondern die Russin erwischt, und Lady Sarah wünschte sich auch deshalb eine Aufklärung des Falls.
Die Karten waren hier, und man konnte sie nicht als normale Karten bezeichnen. Sie waren magisch aufgeladen, hatten einmal einem mächtigen Mönch gehört, der sich dann ein anderes Lebensziel gesetzt hatte und tief in die dunklen Gefilde der schwarzen Magie vorstieß.
Die Finger der Horror-Oma strichen über die Karten. Sie nahm nur die Kuppen, als wollte sie genau nachfühlen, ob sich die Gestalten dort auch weiterhin hielten und nicht verschwanden. Es war nichts zu ertasten, aber die Horror-Oma wusste trotzdem, dass sie da waren. Sie spürte es einfach, und sie glaubte daran, dass Rasputins Testament hinter diesen Mauern verborgen lag.
Ihr Blick wechselte und glitt zur Tür. Sie war sicher ebenso dick wie die Wände. Man hatte sie von den beiden Männern getrennt und in einen ganz anderen Trakt des Klosters geschafft.
Durch die Karten hatte sie in London Kontakt zu Rasputins Geist aufnehmen können. Sie hoffte stark, dass ihr dies auch hier in der Zelle gelingen würde, aber sie besaß leider keine Parakräfte und konnte deshalb diesen Vorgang nicht beschleunigen.
So wartete sie und hoffte.
Die Zeit verrann.
Hin und wieder blickte Lady Sarah auf die Uhr. Fast eine halbe Stunde war schon um, und es hatte sich nichts getan. Sie hörte auch kaum Geräusche. Weder aus dem Innern des Klosters noch von draußen her. Die dicken Mauern schluckten alles.
Dann aber geschah es.
Sarah Goldwyn wusste nicht, was der äußere Anlass dazu gewesen war, jedenfalls musste die Magie nicht allein von ihren Karten ausgehen, denn sie entdeckte plötzlich die hellen Flecke an den Wänden.
Vier waren es und auch vier Karten.
Eine befand sich an der Tür. Lady Sarah brauchte nur den Kopf ein wenig nach links zu drehen und erkannte dort das Abbild der Kaiserin, aber sehr vergrößert, und ihr war es gleichzeitig, als würde diese Figur in der Tür leben.
Die Horror-Oma hielt den Atem an. Vorsichtig wandte sie sich auf dem Stuhl um. Jetzt sah sie auch den an die Wand projizierten Joker, der breit grinste. Hinter Sarah hielt sich der Magier auf. Sein Gesicht wirkte noch blasser, und der Gehenkte gegenüber zeigte ein bitteres, aber scharfes Grinsen.
Die Brücke stand.
Lady Sarah wurde wieder an London erinnert. Auch bei Ludmilla Prokowa hatte sie gestanden, und da war die Magie voll zum Tragen gekommen. Lady Sarah rechnete damit, dass sie auch hier nicht verschont werden würde. Die Frage stellte sich nur, ob diese Magie positiv oder negativ gegen sie eingesetzt wurde.
Die Spannung stieg. Gern hätte sie John Sinclair oder Suko bei sich gehabt, aber diese beiden waren weit weg, sie konnten ihr nicht helfen. So blieb ihr nichts anderes übrig, als abzuwarten, was weiterhin passierte.
Äußerlich veränderte sich nichts. Trotzdem nahm jemand mit ihr über die magische Brücke Kontakt auf. Sie hörte plötzlich eine Stimme und wusste sofort, wer da mit ihr sprach.
Rasputin!
Es war ein Flüstern, das ihren Kopf erfüllte. Geheimnisvolle Worte, zischend gesagt, aber durchaus verständlich. Lady Sarah hörte, wie sie begrüßt wurde.
»Willkommen. Willkommen in meinem Kloster. Ich freue mich, dass du den Weg gefunden hast.«
Die Horror-Oma erwiderte nichts. Sie schluckte, blickte auf die Karten, aber dort hatte sich nichts verändert. Nach wie vor lagen sie unangetastet auf dem
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