0405 - Mit Blut geschrieben
Wassertropfen hingen darin, sie sahen aus wie Perlen.
Die Nische war vielleicht so tief, dass drei Menschen darin Platz fanden, wenn sie sich hintereinander stellten, aber sie zeigte keine Tür. Sollte hier das Testament liegen?
Sarah Goldwyn kam sich plötzlich vor wie in einer Falle. Sie dachte daran, zurückzukehren, aber Rasputin hatte etwas dagegen.
»Nein, du bleibst hier. Der Widerstand ist nur äußerlich. Denk an die Kraft der Karten, denk an die Brücke, die geschlagen worden ist. Ich habe den Raum zugemauert. Damals, mit meinen eigenen Händen, und ich werde dafür sorgen, dass er sich wieder öffnet. Tritt einen Schritt zurück, sonst gerätst du in Gefahr!«
Lady Sarah wusste zwar nicht, was das bedeutete, sie folgte der Aufforderung jedoch, und das war gut so.
Aus dem Dunkel hinter ihr löste sich etwas. Das musste die Gefahr sein, von der Rasputin berichtet hatte.
Es war ein grünes Flimmern, das sich sehr schnell näherte. Es war über dem Boden entstanden, etwa in Kopfhöhe, und Lady Sarah trat einen Schritt zurück, um sich mit dem Rücken gegen die Wand zu stemmen.
Dann war es in ihrer Nähe, und sie erkannte plötzlich den Opferdolch des Götzen Baal.
Für einen kaum messbaren Moment befand er sich auf gleicher Höhe mit ihr. Dann war er vorbei und hieb in die von Rasputin nachträglich gemauerte Wand. Er prallte nicht ab, bohrte sich hinein und schuf eine Insel aus grünem Licht, bevor er mit seiner Arbeit begann und das Gestein allmählich zerstörte, sodass es flüssig wurde.
Da wusste Lady Sarah, dass sie in wenigen Minuten das große Geheimnis um Rasputins Testament erleben würde.
***
Wladimir Golenkow blieb so dicht an meiner Seite, dass er mich hin und wieder berührte. Sein Gesicht war angespannt. Er schielte auf das Kreuz, auf mich und auch auf den Dolch.
Rasputin hatte davon gesprochen, uns den Weg zu seinem Testament zu zeigen. Ich wusste nicht, ob er bluffte oder dies auch tatsächlich vorhatte, aber ich stellte fest, dass er »sprach«.
Zwar nicht mit mir, weil ich weder akustisch noch anders etwas verstand, doch er bewegte die Lippen, und manchmal änderte sich auch der Blick seiner Augen. Nur sein Kopf blieb starr innerhalb des Kreuzes und wirkte wie eingraviert.
Ich hatte keine Ahnung, mit wem er Kontakt aufgenommen hatte, aber ich wollte auf der Suche auch nicht allein bleiben und fragte nach meinem Freund Suko.
»Tut mir Leid, John, aber ich weiß nicht, wo man ihn untergebracht hat«, erklärte der neben mir gehende Russe. »Da musst du schon unseren Freund Oberst Tschigin fragen.«
»Er ist nicht da.«
»Wie ich den kenne, wird er sich bald zeigen.«
Golenkow sollte sich nicht getäuscht haben. Vor uns erklangen harte, schnelle Schritte. Die stammten nicht nur von einem Menschen, aber Tschigin befand sich unter ihnen. Fünf Personen waren es. Er ließ sich von vier Männern begleiten.
Es dauerte nicht lange, da hatten sie uns erreicht, und abermals wurden die Mündungen der Waffen auf uns gerichtet. Tschigin sah aus wie der Oberteufel persönlich. Sein Gesicht wirkte in der Düsternis des Ganges noch böser und kälter.
»Was ist da geschehen?«
Die Frage war an mich gerichtet gewesen, doch Wladimir Golenkow gab die Antwort. »Oberst, Sie hatten mir versprochen, vernünftig zu sein. Sie werden…«
»Ich bin vernünftig!«
»Nein!«
Tschigin zuckte zusammen, als er diese Antwort hörte. So hatte wohl selten jemand mit ihm gesprochen. Und wenn, war es bestimmt kein Untergebener gewesen.
»Wollen Sie das wiederholen?«
»Hören Sie, Genosse Oberst. Sie haben mir versprochen, sich nicht einzumischen. Jetzt halten Sie dieses Versprechen.«
»Es hat einen Toten gegeben!«
»Das wissen wir. Deshalb halten Sie sich zurück, damit es nicht noch mehr Leichen gibt.«
Der Oberst ballte seine Hände. Er hatte kurze Finger, dementsprechend klein waren seine Fäuste. Die glatte Fläche in seinem Gesicht wirkte wie eingeschmiert, es sah so aus, als Wollte er sich auf uns stürzen, und ich sagte zu ihm:
»Golenkow hat Recht. Halten Sie sich zurück, Oberst! Hier laufen andere Dinge, kann ich Ihnen sagen.«
Er verengte die Augen. »Welche?«
»Magie!« Ich deutete auf mein Kreuz und den grünen Dolch. Die Hand mit der Stichwaffe hatte ich bisher hinter meinem Rücken versteckt gehabt. Jetzt zeigte ich sie ihm und die Waffe.
Tschigin ging einen Schritt zurück und stieß mit dem Rücken gegen die Mündungen der Maschinenpistolen. Durch die flache Nase holte er
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