0405 - Mit Blut geschrieben
entdeckten wir etwas anderes. Rote Tropfen sickerten zwischen den beiden Umschlagdeckeln hervor, liefen über ihre Hände, bevor sie zu Boden klatschten und Sarah Goldwyns Weg begleiteten.
Unsere Freundin tat so, als würde sie dies nicht bemerken. Starr blieben ihr Gesichtsausdruck und der Blick. Sie musste unbedingt das Kloster verlassen.
Wir zogen uns zurück.
Tschigin war schon gegangen. Die drei Soldaten hatte er mitgenommen. Der vierte Uniformierte war durch den Dolch zerstört worden. Seine Uniform lag noch am Boden. Aus ihren Öffnungen rieselte der letzte graue Staub hervor.
Wir alle spürten den Druck, Lady Sarah wahrscheinlich am meisten. Auf ihr lastete die gesamte Verantwortung. Sie war von Rasputin ausersehen worden, sein Testament zu finden und an sich zu nehmen. Wahrscheinlich sollte sie sogar zu seinem Testamentsvollstrecker werden.
Um sie nicht zu erschrecken oder aufzuhalten, mussten wir zurück. Wir gingen wieder tiefer in den Gang und nahmen den gleichen Weg, den wir gekommen waren, jetzt begleitet vom fahlen Leuchten der über uns schwebenden Klinge, die wie ein Wächter auf Lady Sarah achtgab.
Mit jeder vergehenden Sekunde steigerte sich bei uns die Spannung. Der Druck war kaum noch auszuhalten. Lady Sarah nahm es gelassener hin als wir.
Suko, Wladimir und ich blieben ihr auf den Fersen, als sie den Gang durchschritt und sich in die Richtung wandte, wo einer der Ausgänge lag, der zum Innenhof führte.
»Das geht nie gut!«, wisperte Suko. »Verdammt, wo will sie denn hinfahren?«
»Ich weiß es nicht.«
»Hoffentlich spielt Tschigin mit!«, murmelte Golenkow.
»Reichen ihm die Warnungen nicht?«
»Der ist borniert bis in die letzte Haarspitze. Ein sturer Apparatschik und Parteigänger. Außerdem hat er Angst, Fehler zu begehen und dann versetzt zu werden.«
Das konnte ich mir lebhaft vorstellen.
Seltsamerweise blieb er ruhig. Der Oberst schien tatsächlich Vernunft angenommen zu haben, aber ganz sicher konnte man bei ihm nie sein. So mussten wir zunächst einmal abwarten, wie es weiterging.
Wir erreichten jetzt den Bereich, der direkt hinter der Eingangstür lag. In dem hallenartigen Raum fielen mir die zahlreichen Fußspuren auf dem Boden auf. Sie alle wiesen in Richtung Tür, und ich verspürte ein unangenehmes Gefühl.
Die Tür war verschlossen.
Zwei Schritte davor blieb Lady Sarah stehen. »Würdest du bitte so freundlich sein und mir die Tür öffnen, John?«, fragte sie.
»Ja, ist gut.«
Ich ging hin, legte meine Hand auf das kalte Metall der Klinke und zog die Tür auf.
»Danke!« Ihre Stimme war kaum wiederzuerkennen.
Ich trat zur Seite. Dabei warf ich einen Blick auf die Buchseite.
Noch immer quoll das Blut hervor. Ich hatte dafür keine Erklärung, nickte Lady Sarah zu und spürte, ebenso wie sie, den kalten Wind, der durch den Spalt in den Raum blies und wie mit Eishänden durch unsere Gesichter fuhr.
Die Horror-Oma ging weiter. Sie trat über die Schwelle, erreichte das Podest am Ende der Treppe, und wir sahen sie nur noch als Schatten. Um sie besser erkennen und ihren weiteren Weg verfolgen zu können, mussten wir näher heran.
Wir drei standen auf der Schwelle nebeneinander. Äußerlich unbewaffnet, Rasputin sollte keinen Verdacht schöpfen. Ich schielte auf mein Kreuz. Noch sah ich sein Gesicht, das sich dort abzeichnete.
Ich hatte es noch immer nicht verwunden, dass es ihm gelungen war, mein Kreuz in seinem Sinne zu manipulieren.
Sarah Goldwyn war nicht mehr weitergegangen. Ihre Fußspitzen berührten fast die Kante der obersten Stufe.
»John, der Wagen fehlt noch!«, hörte ich ihre flach klingende Stimme. »Er war versprochen worden!«
»Ja, verdammt. Ich kann es nicht ändern!«
»Wenn er nicht kommt, wird alles vorbei sein. Rasputin hat die Kraft, sein Testament zu zerstören. Er hat sich mich als Partnerin ausgesucht. Ich soll mehr über sein Testament und über seinen Kontakt zu Baal erfahren, aber wenn die Gegebenheiten nicht stimmen, dann wird er das Testament zerstören. Das hat er mir gesagt. Die Kraft hat er.«
Ich nahm ihr die Worte ohne weiteres ab und wandte mich an Wladimir Golenkow. »Kannst du denn nichts tun?«
»Nein. Es ist allein Tschigins Sache, ob er mitspielt oder nicht. Ich weiß, dass es schlimm ist, aber ich kann daran leider nichts ändern, so gern ich es auch getan hätte.«
»Ja, ich verstehe.«
So warteten wir und warfen einen Blick auf den düsteren, weiten Innenhof des Klosters.
Aus manchen offenen
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