0406 - Finale in der Knochengrube
Fontänen, die von aus der Tiefe hervorgerissenen Knochen begleitet wurden, schossen in die Höhe.
Die Grube leerte sich.
All die Opfer, die Baal in einer langen Zeit dargeboten worden waren, zeigten sich nun als makabre Reste und stießen gegeneinander. Das Klappern der hohlen Gebeine wurde zur Begleitmusik eines unheimlichen Vorgangs, der mit Logik nicht mehr zu erklären war.
Lara blieb ruhig liegen.
Sie hatte den Punkt erreicht, wo sie nicht mehr denken konnte und wollte. Sie lag einfach da, dachte nicht nach und war bereit, alles über sich ergehen zu lassen. Das Mädchen malte sich auch nicht den Schrecken aus, der bestimmt über sie kam, sie wartete auf den Tod.
Und wie tot fühlte sich auch ihr Körper an. So kalt, so leer und völlig anders als sonst. Das Blut schien zu Eis geworden zu sein. Es floss überhaupt nicht mehr, und diese Lethargie hatte sich auf die Psyche des Mädchens übertragen.
Sie lag mit weit aufgerissenen Augen da.
Nebelschleier stiegen in die Höhe. Lautlos krochen sie rechts und links des Opferaltars nach oben. Sie begleiteten das furchtbare Monster aus den Tiefen der Knochengrube.
Baal war erschienen.
Ein urwelthaftes Geschöpf, ein Tier, bläulich schimmernd. Sein Schädel schien aus der Kreuzung zwischen einem Tiger und einer Schlange hervorgegangen zu sein. Die Haut bestand aus dicken, eisförmigen Schuppen, und die Augen wirkten wie kalte, weiße Laternen. Zwei Ohren wie Hörner wuchsen dicht über den äußeren Winkeln der Augen in die Höhe. Der Mund nahm fast das untere Drittel des furchtbaren Gesichts ein, und Lara starrte gegen Zähne, die an das Gebiss eines Säbelzahntigers erinnerten.
Sie fragte sich gleichzeitig, ob so ein Monster überhaupt einen Körper hatte. Da war etwas, das von seinem Kopf nach unten reichte, aber mehr ein dunkelbrauner Schatten als ein mit Muskeln, Haut oder Sehnen gefüllter Körper. Aus diesem Schatten stachen rechts und links zwei Klauen hervor, die jeweils mit vier scharfen, an den Spitzen nach unten gebogenen Krallen besetzt waren.
Eine Kralle griff nach dem Gegenstand, der über dem Altar schwebte und das grüne Licht abgab.
Es war der geheimnisvolle Opferdolch!
Er schien für die Klaue wie geschaffen zu sein, denn er fügte sich nahtlos zwischen die Krallen, wo er weiterleuchtete wie ein fünfter grüner Finger.
Lara dachte nicht weiter über ihr Schicksal nach. Ihr war längst klar geworden, dass man sie hier töten würde. Den Grund kannte sie nicht, er musste in der Vergangenheit liegen und auch in der Existenz ihrer wahren Mutter, die alles im Stich gelassen hatte, um ihre Forschungen woanders weiterführen zu können.
Doch Lara hatte der Fluch eingeholt.
Sie wartete darauf, dass der Dolch nach unten raste, um sich in ihren Körper zu bohren, doch der Unheimliche ließ sich Zeit. Er tat etwas, womit Lara nicht gerechnet hatte.
Er verwandelte sich.
War noch vor Sekunden ein gewaltiges Monster aus der Tiefe gestiegen, ein Mittelding zwischen Mensch und Tier, so ging das Tierhafte zurück, und ein Mensch entstand.
Eine Verwandlung, wie man sie höchstens von Fabelbildern oder einem dieser Fantasy-Streifen her kannte. Sie begann bei den Krallen, denn aus ihnen wurden plötzlich Hände mit langen Fingern. Der dunkle Streifen im Nebel verdichtete sich zu einem Mantel, sodass er die Gestalt des Schreckens an der Rückseite schützte. Auch das Gesicht nahm eine andere Form an. Das große Maul bildete sich zu einem Mund. Gleichzeitig wuchs ein langer Bart, dessen Spitzen sich innerhalb der Nebelwolken verfingen.
Er war sehr lang und reichte bis auf die Brust.
Nase und Augen erinnerten ebenfalls an die eines Menschen und gleichzeitig an die des Leichenvogels, der über dem Altar geschwebt hatte. Eine hohe, bleiche Stirn sah Lara, die Augen hatten einen ungemein starren Blick angenommen, wie ihn Lara noch nie bei einem Lebewesen gesehen hatte.
Und er hielt noch immer das Opfermesser fest, diesen giftgrünen Dolch mit der ungewöhnlichen Klinge, die an eine kleine Sense erinnerte.
Ob Baal stand, konnte Lara nicht sehen. Für sie schien er aus dem Nebel emporzuwachsen, der ihn als zweiter schützender Mantel umwallte, sodass seine Konturen zerflossen.
Die Knochen umtanzten ihn.
Abermals sah das Mädchen die Gebeine vom Grund her in die Höhe steigen, wo sie einen Reigen bildeten, aufeinander zudrängten, zusammenschlugen und die hohlen Geräusche verursachten, die ihr einen Schauer über den Rücken trieben.
Der Blick war
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