0406 - Finale in der Knochengrube
vorsichtig an Land gesetzt. Er prüfte durch Verlagerung seines Gewichts, wie fest oder hart der Boden unter ihm war.
»Klappt es?«, fragte ich.
»Bis jetzt ja.« Suko ging den nächsten Schritt, auch den übernächsten, und eine Nebelwolke schob sich zwischen ihn und uns. Seine Gestalt verschwamm, der Chinese bekam Ähnlichkeit mit einem geisterhaften Wesen, das vorsichtig weiterging.
Wir drückten ihm die Daumen. Noch geschah nichts. Seine Stimme klang hohl, als er uns aus dem Nebel ansprach. »Es ist zwar weich unter mir; aber man kann sich voranbewegen.«
»Dann gehen wir auch!«
Ich hatte mich sehr schnell entschlossen, verließ das Boot und bat Wladimir Golenkow, mir das Tau zuzuwerfen. Erst dann kletterte auch der Russe auf den weichen Boden.
Ich behielt das Tau in der Hand und wartete, bis der Russe neben mir stand. Gemeinsam zogen wir das Boot auf die Insel.
»Alles klar?«, fragte ich.
Wladimir sah mein Grinsen und schüttelte den Kopf. »Verdammt, ich fühle mich unwohl.«
»Kann ich mir vorstellen.«
Suko wartete auf uns. Wir nahmen den Weg, den er gegangen war. In seinen Fußspuren hatte sich schon brackiges Wasser gesammelt.
Das grüne Licht kam uns vor wie eine vom Nebel umwaberte und umwallte Flamme. Manchmal dachte ich, es wäre zum Greifen nahe, dann wiederum hatte ich das Gefühl, als würde es sich von uns entfernen, wenn die langen, grauen Vorhänge ihre Richtungen veränderten und Entfernungen schmelzen ließen.
Ich war innerlich aufgeregt. Obwohl ich keinen Beweis dafür hatte, glaubte ich daran, dicht vor dem Ziel zu stehen. Ich spürte quasi die Nähe des Götzen, der nur darauf lauerte, mir gegenübertreten zu können. Meinen Bumerang hatte ich zum Glück mitgenommen. Er steckte im Gürtel und gab mir Sicherheit.
Die Zeit verging, und es passierte etwas, ohne dass wir eingegriffen hätten.
Irgendwo vor uns, wo die Nebelbrühe besonders dicht war, erklangen plötzlich Geräusche. Zuerst konnte ich sie flicht identifizieren, weil der Nebel sie verzerrte. Als ich mich stärker auf sie konzentrierte und auch meine beiden Begleiter sich damit beschäftigten, wurde uns klar, was das für Laute waren. Knochen schlugen gegeneinander, und wir waren sicher, dass wir die Knochengrube erreicht hatten.
»Die Knochengrube!«, flüsterte ich. »Verdammt, Freunde, das ist sie. Da tanzen die Gebeine.« Ich streckte den Arm aus. »Das muss dort sein, wo das Licht schimmert.«
Keiner widersprach mir. Im nächsten Moment hörten wir ein furchtbares Geräusch, das sich in mehrere Stufen unterteilte. Zunächst war es nur ein Klatschen und Schmatzen, als eine Kraft den Sumpf auseinander riss, sodass Spalten entstanden, die sich sehr bald wieder zu dem formten, was sie einmal gewesen waren.
In seiner Tiefe tat sich etwas.
Wir merkten das Vibrieren unter unseren Füßen und hörten das schreckliche Ächzen, das uns aus dem dichten Nebel entgegendrang. Das war einfach grauenhaft. Mir schien es, als wollten mehrere Leichen gemeinsam aus einem Grab steigen.
Leider konnten wir nichts erkennen, aber wir ahnten, wer sich da aus der Tiefe des Sumpfes freie Bahn verschaffte.
»Das ist er!«, flüsterte Suko. »Verdammt, es gibt keine andere Möglichkeit, John, wir werden ihn bald sehen können.«
Damit rechnete ich auch.
»Meint ihr, dass es Baal ist?«, fragte Wladimir Golenkow.
Unser Nicken war ihm Antwort genug.
***
Lara konnte nicht schreien. Sie spürte nicht die Kälte des Steins unter ihr, sie merkte auch nicht, wie geheimnisvolle Geisterhände und Nebelschleier über ihre Gestalt strichen und die Kälte übertrugen. Es interessierte sie auch nicht der Horror-Tanz der alten Gebeine, sie lauschte einzig und allein den schrecklichen Geräuschen, die den Altar umgaben.
Das grüne Licht tanzte über ihr. Da sich der Nebel bewegte, kam es ihr vor, als wäre er ebenfalls in einen skurrilen Tanz verfallen, der von einer schaurigen Musik begleitet wurde. Ein unheimliches Ächzen und Stöhnen drang an ihre Ohren.
Aus dem Sumpf stieg das Grauen.
Und es hatte sich manifestiert in der Gestalt des Urgötzen Baal, der seine Knochengrube nicht im Stich lassen wollte. Hier hatte man ihn verehrt, hier war es einem abtrünnigen Mönch gelungen, die Spur zu ihm aufzunehmen, und jetzt war er zurückgekehrt, um seinen Gegnern und den Zweiflern zu zeigen, dass er noch existierte.
Das Stöhnen vermischte sich mit einem Schmatzen und Gurgeln. Wasser und Schlamm flossen zusammen. Sie bildeten Blasen. Kleine
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