0406 - Mörder-Medium
jemand starb. Weder Andrezej Retekin noch sonst jemand. Sie wollte doch endlich nur in Ruhe gelassen werden.
Endlich schlief sie ein, im Bewußtsein dessen, daß die Befragung, das Verhör, morgen weitergehen würde. Sie hatte nur eine Atempause bekommen.
Sie träumte wirr von Tod und Verderben, von Zwang und Not.
Und irgendwann, mitten in der Nacht, schreckte sie auf.
Irgend etwas hatte sie geweckt. Aber was war es?
Ihre Hand tastete nach dem Lichtschalter, erreichte ihn aber nicht.
Übergangslos verfiel sie in Trance.
Es war, als habe jemand ein »Schaltwort« gesprochen, auf das ein posthypnotisch verankerter psychischer Mechanismus reagierte. Sie hatten ihr diesen Mechanismus schon ganz zu Anfang eingepflanzt, in ihrem Unterbewußtsein verankert. Sie selbst kannte dieses Schaltwort nicht. Ihr Unterbewußtsein reagierte darauf und versetzte sie unverzüglich in Trance, sobald es ausgesprochen wurde, aber ihr Wachbewußtsein war so programmiert, daß es dieses Wort jedesmal sofort wieder vergaß, nachdem es verklungen war. Auch das Schaltwort, mit dem man sie anschließend wieder weckte, kannte sie nicht bewußt.
Halb auf einen Ellenbogen gestützt, lag sie auf ihrem Bett. Ihre Augen waren glanzlos geworden. Sie starrte ins Nichts. Es gab nur noch den Lidreflex, sonst nichts. Sie atmete nur noch ganz flach.
Ihr Mund öffnete sich einen schmalen Spalt.
Eine graugelbe Wolke quoll daraus empor, verdichtete sich allmählich und vergrößerte sich. Ektoplasma quoll hervor, nahm Gestalt an und wurde fester. Es schwebte vor ihr. Immer mehr von dieser feinstofflichen Substanz entstand. Die Verbindung riß nicht ab.
Und Lena Petrowna wußte nichts von dem, was mit ihr geschah!
***
»Was nun?« fragte Zamorra und schob den leeren Teller von sich. »Da du ja schon so großartig alles vermurkst hast, hast du sicher auch eine Idee, wie wir die Lage noch weiter verschlimmern können.«
Gryf zuckte mit den Schultern.
»Wir werden einfach wieder in Saranows Wohnung zurückkehren«, sagte er. »Von dort aus können wir uns alles weitere überlegen. Hier können wir ja nicht bleiben. Die Kantine wird geschlossen.«
Die Theke wurde mit Rolläden verschlossen. Ein Mann tauchte auf und forderte die letzten Besucher auf, den Raum zu verlassen. Zamorra seufzte. Sie konnten die Kantine nicht mehr allein und unbeobachtet verlassen. Es würde Zeugen geben. Das hieß, daß sie nicht einfach aus der Kälteschleuse per zeitlosem Sprung verschwinden konnten. Sie mußten sich zumindest so lange draußen in der kalten Nacht aufhalten, bis niemand mehr auf sie achtete.
»Eines Tages drehe ich dir den Hals um Gryf«, murmelte er.
»Entschuldige, daß ich geboren bin. Was habe ich jetzt wieder falsch gemacht?«
Zamorra winkte ab. »Gehen wir.«
Als letzte verließen sie den großen Raum, in dem bereits die Stühle hochgestellt und die Putzwassereimer bereit gestellt wurden. Sie traten in die Kälte hinaus. Die anderen Gäste zerstreuten sich.
Zamorra schüttelte sich. Die gefütterten Uniformjacken, die sie beide trugen, schützten nicht wirklich vor der Kälte. Sie waren nur Illusion, mehr nicht. Die Temperatur schien noch weiter gesunken zu sein. Inzwischen lag eine zentimeterhohe Schneeschicht auf der Straße, und Eiskristalle blitzten hier und da in der Nacht. Zamorra sah zum Himmel. Die Wolkendecke war nach wie vor geschlossen. Es würde noch eine Menge Schnee fallen in dieser Nacht. Die Flocken kamen jetzt dichter als vor einer Stunde.
Scheinwerfer. Motoren brummten. Von rechts und links näherten sich Autos mit unterschiedlichem Tempo. Zamorra murmelte eine Verwünschung. Sie würden beide von den Lichtkegeln der Fahrzeuge erfaßt. Also konnten sie immer noch nicht einfach verschwinden.
Ein schwarzer Volvo 240 rollte vorbei. Drei Insassen befanden sich in dem Wagen, wie Zamorra flüchtig erkannte. Der Wagen fuhr relativ schnell. »Wenn der auf Glatteis kommt, geht er hoffnungslos ab«, murmelte Zamorra.
»Wo soll hier Glatteis herkommen?« fragte Gryf. »Die Straßen waren vorher trocken, und bei dieser Kälte hat der Schnee gar keine Chance, richtig glatt zu werden. Der Fahrer geht kaum ein Risiko ein.«
Die beiden Fahrzeuge rollten aneinander vorbei. Der andere näherte sich jetzt ebenfalls. Er war kleiner als die große Limousine. Plötzlich heulte der Motor auf. Der Kleinwagen beschleunigte. Er hielt direkt auf die beiden Männer zu.
»Weg!« schrie Gryf.
Er versetzte Zamorra einen Stoß. Der Parapsychologe
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