0406 - Mörder-Medium
seine Stellung verlor, würden sie anderweitig dafür sorgen müssen, daß er weiterhin schwieg. Gut, etliche Dinge waren öffentlich bekannt, viele aber nicht. Jene zum Beispiel, die er auch Zamorra und Gryf nicht würde zeigen können.
Um ihn mundtot zu machen, würden sie ihn in eine Heilanstalt sperren.
Und das wollte er nicht…
Das durfte nicht geschehen…
»Genosse Professor, Sie wissen, daß wir verpflichtet sind, festzustellen, auf welche Weise Sie sich entfernten, zurückkamen, und wo Sie sich in der Zwischenzeit aufhielten. Wir sind verpflichtet festzustellen, wo Sie sich befanden, was Sie dort getan haben. Machen Sie es uns beiden doch nicht so schwer.«
»Glauben Sie, ich hätte Geheimnisse verraten?« fuhr Saranow ihn verärgert an.
»Ich glaube gar nichts. Vor allem glaube ich Ihre Geschichte nicht. Ich lasse nach den beiden anderen Männern fahnden. Irgendwo müssen sie stecken. Derweil aber werde ich, wenn Sie freiwillig nicht die Wahrheit erzählen, andere Geschütze auffahren müssen. Was halten Sie von einer Gegenüberstellung mit Iwan Kotranov?«
Saranow versteifte sich innerlich.
»Nein«, sagte er gepreßt. »Ich weigere mich. Das können Sie nicht tun, Major. Ich habe Ihnen gesagt, was ich zu sagen habe. Das ist alles.«
»Ich kann es tun, und ich werde es tun«, sagte Sewjestin.
»Sie überschreiten damit eindeutig Ihre Befugnisse«, stieß Saranow hervor. »Ich bin der Leiter der Fakultät. Sie können nicht einfach über meinen Kopf hinweg über Kotranov bestimmen. Sie können ihn nicht einsetzen.«
»Meinen Sie?« Sewjestin lächelte dünnlippig. »Sie glauben gar nicht, was ich alles kann, Genosse Institutsleiter. Ich bin nämlich für die Sicherheit zuständig. Und als Sicherheitsbeauftragter werde ich Kotranov auf Sie ansetzen. Niemand kann mich daran hindern.«
Saranow starrte ihn an.
Er wußte, daß jetzt eine Kraftprobe bevorstand.
Und er wußte nur zu gut, daß die Vorschriften Sewjestin Rückhalt gaben. Er bewegte sich zwar am äußersten Rand seiner Befugnisse, aber… es war möglich. Es gab Paragraphen, die es ihm ermöglichten, eine der Testpersonen zu, Verhörzwecken einzusetzen.
»Verstehen Sie doch«, sagte Sewjestin kühl. »Ich tue nur meine Pflicht.«
Er griff zum Telefon und wählte eine Nummer an.
»Wecken Sie Iwan Kotranov und bringen Sie ihn hierher. Ich brauche seine besondere Gabe…«
***
Lena Petrowna hatte lange gebraucht, um einzuschlafen. Immer wieder hatte sie nachgegrübelt und versucht, sich zu erinnern. Aber da war nichts. Sie war in Trance gewesen, als es geschah.
Immer wieder tauchte das Bild vor ihrem inneren Auge auf, das sie beim Erwachen erwartet hatte. Der verwüstete Raum, der tote Retekin. Und immer wieder kam die Frage: Bin ich schuld? Liegt es an mir? Hat mein innerer Widerwille eine Kraft entfesselt, die in ihrer Wirkungsentfaltung nicht mehr kontrollierbar ist?
Sie wollte fort von hier. Sie wollte es nicht länger erdulden. Die ständigen Untersuchungen, körperlich wie psychisch. Die ständigen Versuche mit dem Ektoplasma, bei denen jedesmal etwas mehr erreicht, erzwungen werden sollte. Es sollte gesteuert werden. Kaithor, der Kontrollgeist… was wollten sie mit ihm oder durch ihn erreichen? Warum? Reichte es nicht, die Dinge so hinzunehmen, wie sie eben waren?
Jahrelang hatte sie nicht einmal geahnt, daß sie medial begabt war. Erst, als dieser verdammte Test positiv Verlief, war sie überhaupt darauf aufmerksam geworden. Man hatte sie nach Akademgorodok geschickt, und dort war sie weiteren Tests unterzogen worden. Man hatte erst hier herausgefunden, daß sie Ektoplasma erzeugen konnte, und hatte diese schlummernde Fähigkeit in ihr geweckt und gefördert. Und dann war Kaithor aufgetaucht.
Sie würde sehr gut ohne ihn weiterleben können. Sie hatte es dreißig Jahre lang gekonnt, und es würde auch später gehen.
Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, von hier fortzukommen, wieder in Ruhe leben zu können…
Fast jeden Monat schrieb sie einen Versetzungsantrag.
Jeder war abgelehnt worden.
Vielleicht war es eine Reaktion ihres Unterbewußtseins, auf eine Art, die ihr selbst nicht klar war, eine Versetzung zu erzwingen. Wenn sich herausstellte, daß fortan jeder Versuch in einer Katastrophe endete, würde man auf sie verzichten und sie fortschicken…
Es war eine Möglichkeit.
Sie hoffte einfach, daß es so war.
Aber dennoch fürchtete sie die Möglichkeit künftiger Zwischenfälle. Sie hatte nie gewollt, daß
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