0407 - Das neue Element
die Luft ein.
Am oberen Rand des Frontschirmes stand die münzengroße Scheibe einer orangefarbenen Sonne.
Darunter aber breitete sich die schwach gekrümmte Horizontlinie eines sehr nahen Planeten aus, über dessen Oberfläche geisterhafte Lichterscheinungen und farbig angestrahlte Wolken jagten.
Maverick - Einzelgänger unter den Planeten.
*
Juan Mellone-Grazia beugte sich vor und griff nach dem Fahrthebel. Derbolavs Handbewegung hielt ihn davor zurück, in einer Panikreaktion von dem Planeten zu fliehen.
„Wir haben Zeit", sagte der Patriarch beruhigend.
„Maverick kann uns aus dieser Entfernung nichts anhaben."
Juan blickte auf die Distanzanzeige.
„Fünfhundertachtzigtausend Kilometer ...?" fragte er ungläubig.
„Und ich fürchtete, wir stürzten bereits in die Atmosphäre."
Derbolav de Grazia schüttelte lächelnd den Kopf.
„Bring uns bitte bis auf hundertfünfzigtausend Kilometer heran und steuere die ROSSA OBERA in einen Orbit, Juan."
Er schaltete den Interkom ein.
„Ich rufe die Fernmeßabteilung. Beginnt sofort mit der Untersuchung des Planeten. Verlaßt euch nicht auf die Angaben in den alten Unterlagen. Mich interessiert vor allem die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre, die darin ablaufenden Reaktionen und die Folgeerscheinungen der Konvektionsströme. Glaubt ihr, daß ihr einige Sonden hinunterbringen könnt?"
Das Gesicht eines Mannes in Derbolavs Alter erschien auf dem Interkomschirm.
„Hier spricht Cerf Sidor, Chef. Keine unserer Sonden käme bis zur festen Kruste des Planeten. Der Luftdruck würde sie in schätzungsweise zwanzig Kilometer Höhe zerquetschen, wenn sie nicht schon vorher infolge zu großen Reibungswiderstandes verglühen. Dennoch empfehle ich den Abschuß von mindestens zwölf Sonden. Vielleicht bringt er uns wenigstens einige optische Eindrücke der festen Kruste. Vom Raum aus können wir nämlich weder mit Infrarot noch mit den Tastern durchdringen."
„Nicht einmal eine Elektronen-Reliefkarte könnt ihr bekommen, Cerf?"
„Das wird schwierig sein, Chef. Da unten toben Aschen- und Sandstürme. Riesige Wolken glühenden Gases und sogar dünnflüssigen Magmas treiben hoch in der Atmosphäre." Cerf räusperte sich. Auf seinem schmalen Gesicht erschien ein wissendes Lächeln.
„Wie ich dich kenne, wird dich das nicht abhalten, dort hinunter zu gehen, Chef, was?"
Derbolav grinste.
„Auf keinen Fall. Also gut, schickt zwölf Sonden hinunter. Legt die Bildübertragung in die Zentrale!"
Er schaltete den Interkom aus.
Als er sich wieder dem Frontschirm zuwandte, suchte er instinktiv Halt an den Seitenlehnen seines Kontursessels. Juan Mellone-Grazia hatte die ROSSA OBERA inzwischen bis auf zweihunderttausend Kilometer an den Riesenplaneten herangebracht und steuerte sie vorsichtig in den 150 000-Kilometer-Orbit. Maverick füllte jetzt nicht nur den Frontschirm aus, sondern auch einen Teil der Top- und Subschirme. Gleich einer unheimlichen Mauer ragte er vor dem kleinen Schiffs auf.
Derbolav de Grazia lächelte über sein Erschrecken.
Er aktivierte eine Sektorvergrößerung und brachte einen rotgelben Fleck in der Planetenatmosphäre optisch auf eine Distanz von hundert Kilometern.
Unwillkürlich hielt er den Atem an, als er erkannte, woraus der Fleck bestand. Es handelte sich um eine fast kilometerdicke Wolke aus staubförmiger glühender Materie, die mit einer Geschwindigkeit von mehreren hundert Stundenkilometern durch die Atmosphäre jagte. Minuten später geriet die Wolke in einen abwärts gerichteten Konvektionsstrom, formte sich zu einem trichterförmigen Gebilde und sank kreiselnd auf die Oberfläche zurück.
Der Patriarch schaltete die Vergrößerung aus.
Nachdenklich starrte er vor sich hin. Ihm war bereits klar, daß er mit der überholungsbedürftigen ROSSA OBERA niemals auf Maverick landen konnte. Das Schiff durfte sich nicht einmal in die oberen Schichten der Atmosphäre wagen. Also blieben nur die HUS-Gleiter.
Offenbar hatte Juan die gleichen Gedanken gehabt wie Derbolav, denn er sagte unvermittelt: „Hinunter kommen wir mit den HUS-Gleitern.
Aber wieder herauf ...?"
„Wenn wir heil unten ankommen, werden wir uns auch wieder von Maverick lösen können", erwiderte Derbolav de Grazia. „Notfalls müssen wir in den dünneren Luftschichten mit den Panzerrüstungen aussteigen und uns von einem Traktorstrahl in die ROSSA OBERA holen lassen."
Er stand auf.
„Aber darüber brauchen wir uns jetzt noch nicht die Köpfe zu
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