0407 - Die Mordgeister
entfernt.
Puzoni setzte sich wieder in Bewegung.
Er hoffte, daß er mit ihr reden konnte, ehe die Stimme sich wieder einschaltete und ihn hier auf offener Straße zum Mörder werden ließ…
***
»Was, zum Teufel, sollen wir hier draußen?« stieß Zamorra hervor. Sie waren zwischen Sträuchern des Grasvorplatzes angekommen, vor Sicht gut geschützt. »Warum bist du nicht sofort in Teds Zimmer gesprungen?«
Gryf grinste.
»Glaubst du, ich möchte einen Satz heiße Ohren und fliegende Zähne riskieren? Ted hat’s nicht so gern, wenn man unangemeldet in seine Privatsphäre eindringt. Würdest du dich gern stören lassen, wenn du gerade deiner Nicole den Unterschied zwischen Blüten und Bienen klar machst?«
»Dummer Hund«, murmelte Zamorra.
Sie lösten sich aus dem natürlichen Sichtschutz und betraten das große Hotelgebäude.
Sie waren beide nicht zum ersten Mal hier. Man kannte sie an der Rezeption.
»Selbstverständlich logiert auch Mademoiselle Duval zur Zeit hier. Aber sie befindet sich nicht im Haus. Sie hat es heute vormittag verlassen.«
Gryf und Zamorra sahen sich an.
»Und Signor Eternale?«
»Auch er ist nicht anwesend.«
»Wissen Sie, wohin die beiden sich begeben haben?« Zamorra registrierte das Kopfschütteln und wollte gerade einen Zehntausend-Lire-Schein als Gedächtnisstütze über das Pult schieben, als ihm einfiel, daß er in der Hektik vergessen hatte, Geld in der Landeswährung mitzunehmen. Er hatte nur seine Kreditkartensammlung bei sich, aber damit ließen sich keine Schmiergelder bezahlen. Jedenfalls nicht so.
Aber Gryf hatte anscheinend bereits nachgetastet. Er zuckte mit den Schultern. »Dann nicht«, sagte er. »Bekommen wir Zimmer?«
Sie bekamen.
»Und was jetzt?« fragte Gryf, als sie sich in Zamorras Zimmer einfanden. Daß sie außer Zamorras Aluminiumköfferlein kein Gepäck bei sich führten, störte anscheinend niemanden. Vermutlich nahm man an, daß es nachgeliefert würde.
»Versuch mal, die drei telepathisch anzupeilen«, verlangte Zamorra.
Gryf konzentrierte sich auf seinen Versuch. Nach ein paar Minuten gab er auf. »Es ist zwecklos«, gestand er. »Ich kann sie nicht finden.«
»Tot?« fragte Zamorra voll böser Vorahnungen.
»Keine Ahnung. Aber in diesem Gewimmel werden sie mit Sicherheit überlagert. Weißt du, wie viele hunderttausend Menschen es in Rom gibt?«
»Weit über eine Million findest du hier«, brummte Zamorra. »So viele Hände kannst du in einem Jahr nicht schütteln.«
»Eben. Diese über eine Million denkender Wesen überlagert alles. Da müßte ich schon Merlins Zaubertechnik haben, der einen Menschen selbst hier finden kann, wenn er’s drauf anlegt. Ich fürchte, wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen.«
Zamorra nickte. »Dann versuche ich das, was ich eigentlich hatte vermeiden wollen«, sagte er. »Ich werde das Amulett rufen.«
»Das ist vielleicht zu gefährlich für Nicole«, sagte Gryf bestürzt. »Sie wird es benötigen. Wenn du es ihr abforderst, ist sie hilflos…«
»Und kann es in dem Moment ja wieder zurückrufen«, sagte er. »Das ist zwar eine gefährliche Sache, aber nicht gefährlich genug. Entweder lebt sie noch, dann kann ich sie mit dem Amulett aufspüren, oder sie lebt nicht mehr, und dann braucht sie es ohnehin nicht mehr, aber ich kann es so dem abnehmen, der es vielleicht erbeutet hat…«
Gryf sah ihn durchdringend an. Aber Zamorra gab keine weiteren Äußerungen von sich.
Er wollte lieber nicht daran denken, was Nicole mittlerweile zugestoßen sein mochte…
Er rief das Amulett zu sich zurück.
***
Angelo Caraggi erreichte das Ortsende. Der Mercedes parkte immer noch ungestohlen an derselben Stelle. Caraggi ging an dem Wagen vorbei, und er durchquerte das rostige Tor. Ein unkrautüberwucherter schmaler Weg führte zwischen den wilden Sträuchern hindurch.
»Indiana Jones würde sich hier zu Hause fühlen«, murmelte Caraggi. In diesem Dschungel fehlten nur noch ein paar Affen, die mit Bananen und Kokosnüssen warfen. Und hier sollte wirklich jemand wohnen?
In Gras und Unkraut fand er Fußspuren. Ein paar Menschen waren hier hin und her gegangen. Aber höchstens gestern und heute. Früher nicht. Es gab keine richtig ausgetretenen. Stellen.
Plötzlich stand er vor dem Gebäude.
Es war alt und morsch. Ehemals mußte es weiß getüncht gewesen sein. Jetzt war es grau, und Moos wuchs überall dort, wo sich keine Pflanzen emporrankten. Die Fensterscheiben waren blind und von Spinnweben
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