0408 - Amoklauf der Mutanten
Schreibtisch. Alle kranken Mutanten hielten sich in ihren Zimmern auf.
„Ich habe einen Fehler begangen", sagte Marshall. „Ich hätte niemals den Kontakt zu ihnen verlieren dürfen."
Dr. Joysells dicke Hände spielten mit einem Schreibstift.
„Sie brauchen sich keinen Vorwurf zu machen, Mr. Marshall", sagte er. „Die Kranken betrachten sich als Einheit, zu der kein Normaler Zutritt haben darf. Unsere Psychiater haben herausgefunden, daß die Mutanten während der First-Genesis-Krise nach Möglichkeit unter sich bleiben wollten. Sie sahen in allen anderen Menschen Gegner. Gegner, die sie verachteten. Das scheint sich nun zu wiederholen."
Der Arzt, so erkannte Marshall, sah nur die, medizinischen Schwierigkeiten. Es war sinnlos, Dr. Joysell von den politischen Verwicklungen innerhalb der Galaxis zu berichten, die ein Eingreifen der Mutanten notwendig erscheinen ließen. Man konnte die Kranken jedoch nicht in den Einsatz schicken, da niemand genau wußte, wie sie sich außerhalb der Klinik verhalten würden.
Zu einer Zeit, da sich Dabrifa zum Alleinherrscher über das System Normon aufgeschwungen und gleichzeitig dreißig weitere Systeme unterworfen hatte, brauchte das Korps dringend jeden Mutanten. Perry Rhodan sah in Dabrifa eine große Gefahr, denn der Diktator hatte es verstanden, innerhalb kurzer Zeit einen großen Machtbereich auszubauen.
Ein weiterer Machtblock war der Carsualsche Bund, der von den beiden Ertrusern Terser Frascati und Runeme Shilter diktatorisch regiert wurde. Gerüchte besagten, daß es außer diesen beiden noch einen dritten Mann gab, der später zusammen mit Frascati und Shilter ein Triumvirat bilden wollte.
Das dritte Sternenreich, das Perry Rhodan Sorgen bereitete, war die Zentralgalaktische Union, die von einundzwanzig sogenannten Kalfaktoren regiert wurde.
Das Solare Imperium fand sich seit einigen Jahren immer wieder in Abwehrkämpfe gegen diese Machtblöcke verwickelt, die sich immer dann verbündeten, wenn es gegen die Mutterwelt Terra ging. Rhodan lehnte es ab, auf die verschiedenartigen Angriffe mit Waffengewalt zu reagieren. Diplomatische Mittel reichten jedoch nicht aus, um die Gegner aufzuhalten.
In einer solchen Situation hätte ein vollständiges Mutantenkorps der Menschheit unschätzbare Dienste leisten können. Da John Marshall mit der Betreuung der Kranken beauftragt war, gab es einschließlich Gucky nur sechs einsatzfähige Mutanten.
„Ich bin sicher, daß wir auch mit der zweiten Krise fertigwerden", unterbrach Dr. Joysells Stimme Marshalls Überlegungen. „Dr.
Kottena wird mit der bewährten Behandlung auch diesmal Erfolg haben."
„Sie wissen ebenso wie ich, daß das krankhafte Wachstum der Mutantengehirne nur gestoppt, nicht aber rückgängig gemacht werden kann", erwiderte Marshall. „Das bedeutet, daß meine Freunde auf unbestimmte Zeit in diese Klinik verbannt sind.
Vielleicht sogar für immer."
Mit einer gewissen Erleichterung dachte Dr. Joysell daran, daß, wenn die Befürchtung Marshalls zutreffen sollte, dies nicht allein ein Problem des Ärzteteams war, zu dem er gehörte, sondern daß er und seine Kollegen dieses Problem an die nächste Ärztegeneration weitergeben würden. Die kranken Mutanten trugen Zellaktivatoren; sie würden auf jeden Fall länger leben als die Mediziner, von denen sie jetzt behandelt wurden. John Marshall dagegen besaß ebenfalls einen Zellaktivator, was bedeutete, daß er sich, wenn das Schicksal es wollte, vielleicht Jahrhunderte um diese Kranken bemühen mußte.
Dr. Joysell schüttelte den Kopf, um diese unerfreulichen Gedanken zu vertreiben.
Ein Summen ließ ihn zur Kontrolltafel hinüberblicken. Sofort war er hellwach.
„Mr. Marshall! Einer der Mutanten hat sein Zimmer verlassen!"
„Wer ist es?" fragte Marshall.
„Tako Kakuta."
„Können Sie von hier aus feststellen, wohin er geht?"
„Natürlich", sagte Dr. Joysell. Er durchquerte den Raum und schaltete einen Bildschirm ein. Marshall blickte in einen Gang. Er sah den schmächtigen Teleporter auf dem Weg zu einem anderen Zimmer.
„Offenbar will er André Noir einen Besuch abstatten", vermutete Dr. Joysell.
„Eine ungewöhnliche Zeit für einen Besuch", meinte Marshall beunruhigt. Ein Lächeln bildete sich um Joysells Mundwinkel.
„Schließlich sind es auch ungewöhnliche Menschen", sagte er. Er richtete sich auf und griff nach dem Sprechgerät. „Ich halte es für besser, wenn ich jetzt Dr. Kottena rufe. Er soll entscheiden, ob wir eingreifen
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