0408 - Der Drachenblut-Vampir
sie den Kopf schüttelte. »Ich begreife es einfach nicht, das müssen Sie mir glauben. Tut mir Leid, wenn ich so…«
»Ich werde auf jeden Fall bei Ihnen bleiben«, sagte der Chinese.
»Wenn tatsächlich etwas passieren sollte, bin ich bereit, sofort einzugreifen.«
»Glauben Sie denn, dass Gesine sterben wird?«
»Nein!«
Nicht Suko hatte die Antwort gegeben, sondern Patrick Rush, der zurückgekommen war und die Tür schloss. Er blieb unter dem breiten Lampenring stehen, auf dem sechs kelchförmige Schalen ihren Platz gefunden hatten. Drei von ihnen brannten. »Ich glaube es nicht. Es ist einfach nicht logisch. Für mich sind es die Hirngespinste einer kranken Frau.«
»Sehr überzeugend hat Ihre Stimme nicht geklungen«, bemerkte Suko.
Er trat einige Schritte vor und ging ebenfalls auf den großen viereckigen Holztisch zu. »Es kommt auch darauf an, wer einem diese Worte sagt. Bei mir war es die eigene Mutter. Da wird man natürlich nachdenklich. Sie ist fest davon überzeugt, dass sie in dieser Nacht sterben wird.«
»Wie schwer ist denn ihre Krankheit?«, fragte Suko.
Patrick hob die Schultern. »Das ist alles so eine Sache. Meine Mutter hatte die Grippe, sie nicht richtig auskuriert, sich erneut erkältet und ist dabei sehr schwach geworden. Sie hütet schon seit einigen Wochen das Bett. Mich hat es gewundert, dass sie ihr Zimmer verließ und nach unten kam.«
»In der letzten Zeit wurde sie auch wunderlich«, mischte sich Helen ein.
»Wieso?«
»Sehen Sie, Suko, meine Schwiegermutter war ein sehr gläubiger Mensch. Aber vor einer Woche fiel mir auf, dass sie ihr altes Kreuz von der Wand über dem Bett abgenommen hat.«
»Und?«, fragte Suko.
»Das hat doch nichts zu bedeuten«, meinte Patrick.
»Sag das nicht!« Helen beugte sich vor. »Ich habe dir nichts davon erzählt, aber ich fragte sie, weshalb sie das getan hat. Damals sprach sie schon von ihrer Todesahnung, erklärte aber gleichzeitig, dass sie noch auf ein bestimmtes Ereignis wartete.«
»War das der Ruf der Banshee?«
»Ja, Suko.« Helens Stimme klang gebrochen. In ihren Augen schimmerten plötzlich Tränen. »Das hat sie gesagt. Und sie fügte hinzu, dass unsere Familie mit Dingen konfrontiert werden würde, an die keiner von uns gedacht hat.«
»Ging sie auf Einzelheiten ein?«
»Nein, ich wollte sie auch nicht mehr danach fragen. Das war mir alles sehr unangenehm, wie du sicherlich verstehst. Diese Dinge habe ich immer zu verdrängen versucht, aber jetzt bin ich praktisch gezwungen, da anders zu denken. Nicht allein durch Gesine, auch wegen der Träume unserer Tochter.«
Patrick Rush lachte laut. Es klang unnatürlich. Man merkte ihm an, dass er sich in seiner Haut nicht wohl fühlte. »Komm, Suko, wir trinken einen Whisky auf die Gesundheit meiner Mutter. Einverstanden?«
Suko wollte seine Gastgeber nicht vor den Kopf stoßen, obwohl er schon einen Whisky getrunken hatte. Er stoppte Patrick aber, als dieser zu gut einschenken wollte. »Nein, nicht so viel.«
»Wie du willst.« Der Ire gönnte sich einen Doppelten.
Helen saß am Tisch und schaute ins Leere. Sie bekam überhaupt nicht mit, was um sie herum vorging.
Patrick Rush wollte Suko das Glas reichen und hatte es auch schon angefasst, als es geschah.
Ein Schrei gellte auf!
Schrill und fürchterlich. Anders als der einer Banshee, denn ihn hatte ein Mensch ausgestoßen.
Helen sprang hoch. »Mutter!«, rief sie.
Und damit hatte sie Recht.
Suko aber rannte schon los.
***
Er hatte genau gesehen, wohin Patrick seine Mutter gebracht hatte.
Hinter dem Kamin existierte eine dicke Bohlentür, die Suko aufriss und in einen schmalen Flur gelangte, wo eine Wandleuchte brannte und ihren Schein auf die ersten Stufen der nach oben führenden Treppe warf. Suko hielt sich an dem runden Geländer fest, als er hinaufstürmte.
Er hatte die Hälfte der Holztreppe noch nicht hinter sich gelassen, als er einen zweiten Schrei hörte.
Diesmal lauter, noch schriller klingend und voller Angst steckend.
Der Schrei zitterte ihm entgegen und brach urplötzlich ab. Hinter sich hörte Suko schwere Schritte, denn auch Patrick Rush stürmte die Treppe hoch, um nach seiner Mutter zu sehen.
Suko war schneller, erreichte einen kleinen Flur und hörte die Stimme des Hausherrn. »Es ist die rechte Tür direkt hinter der Treppe!«
Für diese Information war der Inspektor ihm dankbar, da zahlreiche Türen zur Auswahl gestanden hätten.
Er brauchte sich nur zu drehen, schlug auf die Klinke und
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