0408 - Der Drachenblut-Vampir
zusteht«, erklärte der Vampir. »Zerschmelzen und…« Er hob bereits einen Arm.
Es war der rechte.
Sehr genau zielte er.
Und das Mädchen stand steif. Es gelang ihr nicht, sich zu bewegen. Die Angst war zu stark. Sie wollte nach John Sinclair schreien, selbst das schaffte sie nicht, weil die Kehle mit irgendetwas ausgefüllt war, das sie auch durch heftiges Räuspern nicht wegbekam.
Dann hörte sie ein Wort.
Sie verstand es zwar, aber sie begriff es nicht.
»Topar!«
Es war Suko, der dieses Wort ausgerufen hatte.
***
Es war uns gelungen, uns ungesehen an den Ort des Geschehens anzuschleichen. Leider konnten wir Ria und den Vampir nur schattenhaft erkennen, aber wir entnahmen dem Gespräch, dass der Drachenblut-Vampir dicht davorstand, sein Opfer zu vernichten.
Wir sahen die Bewegung seines rechten Arms, denn das kleine Feuer an der Lanze war gut zu erkennen.
Was Suko vorhatte, wusste ich. Er hielt Buddhas magischen Stab längst in der Hand. Für fünf Sekunden konnte er damit die Zeit anhalten, und genau für die Dauer erstarrten auch die Bewegungen derjenigen Personen, die den Ruf gehört hatten.
Suko hatte sehr scharf und auch laut gesprochen. Sofort stand ich bewegungslos.
Aber nicht nur ich.
Auch Ria und Tyrrtoll. Auf ihn kam es uns schließlich an.
Nur Suko bewegte sich. Und er war verdammt schnell, er musste schnell sein. Mit gewaltigen Sätzen jagte er durch den Nebel. Fünf Sekunden waren nicht viel, das wusste er. Zudem musste er noch eine gewisse Distanz hinter sich bringen, um den Vampir zu erreichen.
Die Zeit verging.
Suko rannte, stoppte dicht vor seinem Gegner ab und sah ihn zum ersten Mal aus der Nähe. Die Haut leuchtete in einem dunklen Grün. Wie zwei funkelnde, kalte Diamanten lagen die Augen dazwischen, eingebettet in tiefe Höhlen.
Er griff nach dem rechten Arm seines Gegners, wollte ihm die Lanze aus der Hand drehen. Töten durfte er seinen Gegner nicht, sonst hätte der Stab seine Kraft verloren. Suko schaffte es tatsächlich, den Arm zur Seite zu drücken. Fast hätte er ihn gebrochen.
Leider blieb ihm nicht mehr die Zeit, um die Faust zu öffnen, denn die fünf Sekunden waren verstrichen.
Plötzlich bewegte sich Tyrrtoll wieder. Er wollte den rechten Arm nach unten drücken und die kleine Lanze aus seiner Hand schleudern. Das gelang ihm nicht mehr, da Suko hart festhielt.
Aber er hatte noch den zweiten Pfeil.
Suko konnte nicht überall sein, ich war auch zu weit weg, und der Drachenblut-Vampir sah seine Chance.
Er wuchtete den zweiten brennenden Pfeil nach vorn.
Und der traf genau.
Dicht über dem Bauchnabel bohrte er sich in den Körper der starr dastehenden Ria Rush.
***
Das Entsetzen traf mich wie eine eiskalte Wasserdusche. Ich hatte nicht mehr eingreifen können, es war einfach alles zu schnell gegangen, und so sah ich den Pfeil im Körper der jungen Frau stecken, die ich nicht mehr hatte retten können.
Ria schrie nicht einmal, sie stand nur da, und ihre Hände umklammerten den brennenden Schaft.
Ich war es, der schrie. Meiner Wut, meinem Zorn und meinem Hass musste ich freie Bahn lassen.
»Weg, Suko!«
Mein Partner hatte mich verstanden. Er ließ den Vampir so plötzlich los, dass dieser von der Aktion überrascht wurde und zur Seite taumelte, aber so in die Wurfrichtung geriet, dass ich den Bumerang trotz des Nebels zielsicher schleudern konnte.
Ich hatte schon beim Laufen ausgeholt.
Dann warf ich.
Die silberne Banane zerschnitt den grauen Dunst. Sie fauchte förmlich hindurch. Tyrrtoll wollte sich noch zur Seite drehen, was ihm nur halb gelang, denn die von mir geschleuderte Waffe jagte schräg auf ihn zu, sodass sie nicht nur gegen seinen Hals hämmerte, sondern auch noch ein Stück des grünen Schädels mitriss, und da half ihm auch die getrocknete Haut des Drachen nicht mehr.
Die Magie des Bumerangs war einfach zu stark.
Wie eine Kreissäge wühlte sie sich weiter und schaffte es, den Drachenblut-Vampir zu köpfen.
Das war sein Ende.
Ich ging nicht zu ihm, ich wollte ihn nicht sehen, mein Weg führte zu einer anderen.
Ria Rush lag auf dem Rücken.
Und ich sah sofort, dass sie im Sterben lag.
***
Nebelfetzen glitten über ihren Körper hinweg wie alte Leichentücher. Der Pfeil hatte sich tief in sie gebohrt und würde sie innerlich verbrennen. Die Augen hielt sie offen, sodass sie meinem Blick begegnen konnte.
»Ria«, flüsterte ich.
»John, ich muss sterben!«, hauchte sie. Trotzdem war ihre Stimme überraschend klar.
»Nein, nein!
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