041 - Der Satanskult
streichelten. Jean Neil hockte neben ihrer Freundin Betsy auf einem Sitzkissen auf dem Boden und starrte neugierig und erwartungsvoll auf den Vorhang aus rotem Samt, der jetzt zu dröhnenden Gongschlägen zur Seite gezogen wurde. Magisches rotes Licht ergoss sich über eine Art Altar, der auf einer erhöhten Empore stand. Hinter diesem Altar formten sich aus dicken, weißen Nebelschwaden die Umrisse einer seltsamen Figur, die Jean zuerst für einen Buddha hielt. Da waren der feiste und nackte Bauch, die gekreuzten Beine und die massigen Schenkel; das Gesicht war nicht genau zu erkennen.
Jean glühte. Ihr Körper strahlte eine ihr bisher unbekannte Hitze aus. Sie empfand dieses Gefühl als äußerst angenehm.
»Warum sieht man nicht das Gesicht?«, flüsterte sie Betsy zu.
»Still. Vielleicht darfst du es sehen. Vielleicht.«
Jean rutschte unruhig auf dem Sitzkissen umher, bewegt von der Hitze in ihrem Körper, die fast unerträglich wurde. Schweiß bildete sich auf ihrer Haut.
Monotones Murmeln war zu hören. Worte, die Jean nicht verstand; wenigstens zuerst nicht. Doch wenig später, als ihre Ohren sich an das Gemurmel ein wenig gewöhnt hatten, entsetzte sie sich.
Die Mitglieder des Klubs – es mochten insgesamt vielleicht zwanzig Personen sein – leierten eine Art Gebet herunter, in dem sie die Begriffe und Worte eines heiligen Gebetes absichtlich in den Schmutz zogen.
Am liebsten wäre sie jetzt aufgesprungen und hätte diesen Tempel Satans verlassen. Doch die Neugierde überwog. Dazu kam das prickelnde Gefühl auf ihrer Haut. Sie beschloss, einfach nicht mehr hinzuhören, aber das vermochte sie auch nicht. Die Anwesenden baten Satan um den rechten Weg zur Lust und Freiheit der Sünde. Die Stimmen vereinigten sich zu einem Chor, der immer beschwörender betete.
Betsy Argent schien die Formeln in- und auswendig zu kennen. Inbrünstig und sich immer wieder rhythmisch nach vorn neigend, beteiligte sie sich an diesem Anti-Gebet, geriet wie die anderen im Raum in Ekstase und riss sich plötzlich, als der Gong wieder ertönte, die schwarze Kutte über der Brust weit auf, sprang hoch und drängte nach vorn zum Altar.
Von dem Gesicht der Statue, die vielleicht anderthalb Meter groß war, konnte Jean zwar noch immer nichts sehen, doch in dem weißen, wallenden Nebel glühten zwei Augen auf, die sich ausschließlich auf sie zu konzentrieren schienen.
Jean glaubte zu verbrennen. Auch sie riss die Kutte jetzt auf, merkte gar nicht, dass die Kutte entsprechend geschickt geschnitten war. Jean entblößte ihre Brust und drängte ebenfalls nach vorn, angetrieben von einer Lust und einem Verlangen, das sie vorher noch nie gekannt hatte. In ihr brannte ein Feuer, das sie fast wahnsinnig machte.
Ein Priester erschien vor dem Altar und segnete die Geschöpfe Satans mit einer unglaublich gemeinen und abstoßenden Geste. Er trug eine weite, tiefrote Kutte, die bei dieser Bewegung über seinem nackten Körper auseinander fiel.
Jean starrte auf den Mann, von dessen schwarzen und gierigen Augen sie sich hypnotisiert fühlte. Sie ging weiter auf den Altar zu, merkte kaum, dass die Anwesenden zur Seite wichen und eine Art Gasse bildeten. Sie fiel vor dem Priester auf die Knie, keuchte vor Lust und Verlangen.
Er beugte sich zu ihr hinunter, griff nach ihren Schultern und richtete sie auf, zog sie an den Altar, präsentierte sie den Frauen und Männern, die längst wieder auf ihren Knien lagen und Beschwörungen und höllische Bitten stammelten.
Jean ließ sich widerstandslos über den Altar drängen, leistete längst keinen Widerstand mehr, war nur noch verlangendes Fleisch. Sie nahm nicht wahr, dass sie aus der Kutte geschält wurde, hob die Arme und streckte sie sehnsüchtig dem Priester Satans entgegen.
Es dauerte etwa zehn Minuten, bis sie die Stelle erreicht hatten, an der das seinerzeit versenkte Küstenschiff auftauchen sollte. Nach Cohens Uhr fehlten bis Mitternacht nur noch knapp zehn Minuten.
Er selbst hatte gerudert, weil er dem Untoten nicht die notwendige Kraft für die beiden Riemen zutraute. Sie lagen jetzt unterhalb einer immer noch zerstörten Kaimauer, auf der sich die Ruinen einer alten Fabrik befanden. Die Szenerie war gespenstisch.
Cohen wusste, dass es hier in den alten Docks Ruinen aus der Kriegszeit gab. Aufgebaut konnten die Lagerhallen oder Fabriken nicht werden, weil die Eigentümer dieser Bauten und Grundstücke auf bessere Zeiten hofften, um noch günstiger verkaufen zu können. Die
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