041 - Der Satanskult
Stadtverwaltung hatte deshalb darauf verzichtet, die alten Kais neu herzurichten.
Mit ein paar geschickten Ruderschlägen brachte Marvin Cohen den Kahn, den er sich am Hauptdock einfach sozusagen ausgeliehen hatte, in den Schatten einer verrosteten Verladebrücke. Er durfte sicher sein, dass sie hier nicht entdeckt wurden.
Mitternacht! Die Glockenschläge einer Kirchturmuhr irgendwo in Hafennähe hallten über die Docks. Cohen starrte auf das schmutzige Wasser, wartete darauf, dass sich etwas tat. Er hatte das Gefühl, von dem Freak Wilbur Smart hereingelegt worden zu sein. Ja, er wollte schon aufgeben und packte nach den Riemen, als der Untote sich plötzlich aufsetzte und dann mit einer fast schüchternen, ängstlichen Handbewegung auf das Wasser deutete.
Das Unglaubliche geschah. Nicht weit von der Verladebrücke entfernt kochte plötzlich das Wasser, sprudelte, warf dicke Blasen, rauschte. Dann tauchten zwei abgeknickte Maststümpfe auf, danach die Aufbauten eines Ruderhauses und schließlich die Reling des großen Küstenkutters. Das Wasser lief erstaunlich leise ab. Der Kutter machte einen morschen und verrotteten Eindruck. Cohen entdeckte über der Wasserlinie ein ausgezacktes, großes Leck.
Nebel kam auf, kroch von allen Seiten auf den Kutter zu. Die Nebelschwaden verdichteten sich und hüllten ihn ein. Sie wallten über das Wasser und schufen eine Zone der Unwirklichkeit. Durch diesen Nebel entdeckte Cohen Licht. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Es musste aus dem Ruderhaus kommen. Der pestilenzartige Gestank wurde noch intensiver. Cohen zögerte, das kleine Ruderboot in die Nebelschwaden zu bugsieren.
Er fühlte die Augen des Untoten auf sich ruhen, der das Schwert schlagbereit in den Händen hielt – wohl nur auf den Augenblick wartend, sich auf Cohen werfen zu können.
Die angespannte Haltung seines Begleiters gab den Ausschlag. Cohen griff nach den Riemen und brachte das Boot in Fahrt und auf Kurs. Es dauerte nur wenige Minuten, bis der Rumpf des Küstenkutters vor ihm auftauchte. Cohen nahm das Henkersschwert aus dem Kasten und stieg entschlossen an Bord des Geisterschiffes. Der Untote folgte ihm mit seltsam eckigen Bewegungen.
Cohen orientierte sich kurz. Auf Schiffen kannte er sich aus. Wenn es an Bord dieses Kutters wirklich einen Sender gab, dann musste er sich unten in der Kabine neben der Kapitänskajüte befinden. Er steuerte auf die Lichtquelle im Ruderhaus zu und blieb überrascht stehen.
Vor ihm war plötzlich eine Gestalt, wie man sie sich grauenvoller nicht vorstellen konnte. Faules Fleisch, Ölreste und Tang hingen an bleichen Knochen. Und die Gestalt lebte!
Glühende Augen ruhten auf Cohen, musterten ihn gierig. Dann streckte die Schreckensgestalt die knochigen Arme aus. Cohen sprang zurück und schlug mit dem Henkersschwert zu.
Der scharfe Stahl, der in finsterer Vergangenheit Hexen und Dämonen enthauptet hatte, tat auch hier seine Wirkung. Der Kopf der gespenstischen Erscheinung kullerte über das Deck und landete lautlos im Wasser.
Cohen war nicht mehr zu halten. Er pirschte sich an das Ruderhaus heran und schaute durch die zerbrochene Fensterscheibe ins Innere, sah aber nichts.
Die Treppe hinunter zu den Kabinen war nass und schlüpfrig, schlammbedeckt und morsch. Cohen setzte einen Fuß auf die erste Stufe und belastete das Bein vorsichtig. Langsam brachte er Stufe um Stufe hinter sich und erreichte den schmalen Gang, von dem die Kabinen abzweigten.
Stimmen!
Eine Tür war nur angelehnt. Cohen drückte sie vorsichtig auf und schnappte nach Luft, als wieder pestilenzartiger Gestank seine Nase hochstieg. Zwei Untote saßen vor einem Sende- und Empfangsgerät und hantierten an Schaltern und Drehknöpfen. Sie glichen dem Monstrum, das er an Deck außer Gefecht gesetzt hatte.
Einer von ihnen wandte sich halb um, blickte in eine Ecke der Funkkabine, in die Cohen nicht sehen konnte, und nickte auffordernd. Die näselnde, blecherne Stimme hatte er schon einmal gehört, als er der derben Krankenschwester von der O'Hara-Stiftung den Clip aus dem Ohr genommen hatte. Jetzt hörte er sie im Original. Sie begann mit einer Durchsage für alle Dienerinnen und Diener des großen Tieres.
Cohen trat die Tür mit großer Wucht auf, und noch bevor die Untoten reagieren konnten, trennte er ihnen mit einem Schlag die Köpfe vom Rumpf. Ein Geräusch ließ ihn herumfahren. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen. In der Ecke, die er vom Eingang nicht hatte übersehen können, stand – Coco
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