041 - Der Schwarze Tod
Gesicht bekommt.“
„Jawohl! Und man hätte früher damit anfangen sollen.“
„Nicht ein Tropfen Impfstoff für die Bande!“
Auguste stieg auf einen Tisch der Schenke. „Ihr seid ein Haufen Dummköpfe!“ rief er. „Wenn man die anderen nicht impft, bleibt der Pestherd bestehen, und die Ansteckung bringt uns trotzdem alle um.“
„Der Impfstoff wird uns schützen.“
„Auf lange Sicht gesehen wird sich der Effekt verringern. Außerdem gibt es mehrere Formen der Pest, und man weiß nicht, ob das Serum gegen alle hilft.“
„Schweig endlich!“ schrie die Menge. „Es liegt am Gemeinderat zu entscheiden, ob die anderen geimpft werden sollen oder nicht.“
Und der Gemeinderat beschloß unter dem Druck der Allgemeinheit, daß die anderen nicht geimpft werden sollten. „… nur die gegenwärtig im Dorf Burach lebenden Personen …“ hieß es im Text des Anschlages. Und das Wort „gegenwärtig“ war zweimal unterstrichen.
Dann rief man mich in das Zimmer des Bürgermeisters.
„Simon Lerouge“, sagte der Bürgermeister. „Sie werden die Impfungen durchführen. Ich nehme an, daß Sie sich damit am besten von uns allen auskennen. Ich konnte keinen ärztlichen Beistand für uns bekommen. Burach hat nur zweiundvierzig Einwohner.“
„Achtunddreißig“, warf jemand ein.
Der Bürgermeister schwieg einige Sekunden lang. „Sie beginnen mit den gesunden Einwohnern, den Leuten, die hierherkommen können. Dann gehen Sie in die Häuser zu den Alten, Kranken und Kindern.“
Ich war gezwungen anzunehmen, aber meine Begeisterung war gedämpft. Ich dankte Gott, daß eine mitfühlende Seele eine Gebrauchsanweisung und mehrere Injektionsnadeln dem Paket mit dem Serum beigelegt hatte. Nun ließ ich mir einen Petroleumbrenner und einen Kochtopf bringen, um die Instrumente zu desinfizieren. Auch ein wenig Äther fand sich.
So begann ich. Natürlich mit mir selbst. Dann kam der Gemeinderat an die Reihe. Der Bürgermeister und seine Begleiter hatten ihre Dosis bereits in Perpignan erhalten.
Dann kamen die Gesunden, die bereits ungeduldig warteten. Aber ich hatte nur drei Spritzen, und man mußte sie zwischen den einzelnen Injektionen gut sterilisieren. Das kostete Zeit. Da ich erst am Nachmittag mit den Impfungen begonnen hatte, war ich gegen achtzehn Uhr fertig. Die letzte war meine Tante, die alle anderen vorgelassen hatte.
Nun mußte ich die Runde durch die Häuser machen, um die vierzehn Personen zu impfen, die nicht gekommen waren.
Im zweiten Haus, in das ich eintreten wollte, schloß man mir die Tür vor der Nase. Vater, Mutter und ein dreizehnjähriger Sohn wohnten hier. Die kleine achtjährige Tochter fehlte.
Der Bürgermeister hatte offenbar derartige Schwierigkeiten vorhergesehen und kam mir mit den Männern des Gemeinderates zu Hilfe. Wir fanden die kleine Tochter sterbend vor, übersät mit Beulen und schreiend vor Schmerzen, wenn man sie berührte.
„Rühren Sie sie nicht an!“ rief die Mutter.
Das war tatsächlich nicht mehr nötig. Wir gingen mit gesenkten Köpfen aus dem Zimmer. Ähnlich war es auch in anderen Häusern. Alles in allem zählten wir acht hoffnungslose Fälle, darunter eine ganze Familie, deren Mitglieder, bereits bewußtlos, im selben Zimmer lagen.
„Wir müssen für ein Massengrab sorgen“, sagte der Bürgermeister.
Erschöpft ging ich nach Hause. Auf dem Weg holte mich ein großer, schwarzer Schatten ein.
„Mein Herr? Erkennt Ihr mich wieder?“ Es war Jehan de Boffre.
Ich nickte. In der Dunkelheit, die vom Schnee rundum aufgehellt wurde, strahlten seine Augen.
„Mein Herr, Ihr habt das Wundermittel! Ich weiß es. Man jagt mich überall davon, weil ich aus einer anderen Epoche komme, aber ich habe das Wort gehört, das Ihr mich anderntags gelehrt habt: Impfstoff. Herr, ich habe eine Frau, zwei Kinder und meine Eltern! Herr, Ihr müsst Erbarmen haben!“
Ich hatte noch genügend Impfstoff. Ich trug die Schachtel unter dem Arm, um sie bei mir zu Hause aufzubewahren. Die Impfung sollte nötigenfalls nach acht Tagen wiederholt werden.
„Herr, habt Mitleid! Im Namen unserer Heiligen Jungfrau und ihres Sohnes, unseres Herrn!“
„Kommen Sie mit.“
Er ging mit mir ins Haus meiner Tante, die ihn mißtrauisch betrachtete.
„Was will denn der hier?“
Jehan verbeugte sich mit beispielhafter Höflichkeit tief vor meiner Tante, was ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen zauberte.
„Können Sie Ihre Familie hierher bringen?“
„Mein Herr … Meine Frau und meine
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